Die Marmorhöhlen in der Region Aysén gehören zu einem der außergewöhnlichsten Naturwunder dieser Erde. Über mehr als 6.000 Jahre hinweg haben die wilden Strömungen des Sees Lago General ein Meisterwerk aus Stein, Farbe und Licht geschaffen.
Es ist nicht leicht, in einer der abgelegensten Regionen Chiles zu reisen. Dazu zählt die Region Aysén, die sich südlich von Puerto Montt durch 1000 Kilometer wilde Natur, unzugängliche Fjordlandschaften und die Bergwelt der Anden zieht.
Zum Glück befinde ich mich in Coyhaique, der Hauptstadt der Region und der Ausgangspunkt für Touren in der Umgebung. Von hier aus soll es in das 220 Kilometer südlich gelegene Puerto Tranquilo gehen. Dies ist der beste Ort, um die Marmorhöhlen zu besuchen. Leichter gesagt als getan. Wir drei, zwei meiner chilenischen Freunde und ich, sind extra früh um 6 Uhr aufgestanden, um uns rechtzeitig am Terminal de Buses einzufinden. Dort teilt uns eine noch ziemlich verschlafene Mitarbeiterin bedauerlicherweise mit, dass der Bus nach Cochrane, der in Puerto Tranquilo hält, nur Mittwochs, Freitags und Sonntags fährt. Heute ist Montag. Shit. Aber ich bin es ja mittlerweile gewohnt, hier in Südamerika zu improvisieren und so kommt nach der anfänglichen Enttäuschung die Abenteuerlust zurück. Wir werden einfach ganz Patagonien-like trampen.
Daumen raus und los warten…
Klingt easy, bedarf aber eine Menge Geduld, Durchhaltevermögen und die Wahl des richtigen Platzes. Ich habe glücklicherweise die hilfreiche Karten-App Maps.me auf meinem Smartphone und so haben wir schon bald einen scheinbar geeigneten Ort für den Daumen an der berühmt-berüchtigten Fernstraße Carretera Austral. Trampen ist übrigens ziemlich easy in diesem Teil Chiles. Die Menschen, gerade in wenig besiedelten Gebieten, halten gerne an und helfen, wenn sie können. Interessanter Fakt: Wenn man hier den Führerschein macht, wird den Fahrschülern angeraten, Tramper mitzunehmen. Find ich gut.
Zu dieser frühen Stunde sind noch nicht wirklich viele Fahrzeuge unterwegs. Diejenigen, die uns passieren, sind vollgepackt mit Arbeitern. Und so vergeht eine mühsame, langweilige Stunde an einer trostlosen Einfahrt. Der Wind pfeift durch alle Ritzen und ich bin froh über lange Unterhosen und Thermo-Shirt. Dazu kommt, dass wir zu dritt sind, was die ganze Sache zusätzlich erschwert.
Los geht´s Richtung Süden
Doch dann hält ein schwarzer Pickup. Yeah, nix wie los. Jaime arbeitet am Flughafen Balmaceda nahe Coyhaique und kann uns ein Stück mitnehmen. Das Gute am Trampen ist, dass man viel über Land und Leute erfährt. Jaime kommt ursprünglich aus dem Norden von Chile, ist aber der Liebe wegen in die Region Aysén gezogen. Er hadert mit dem patagonischen Wetter, das so ganz anders ist als im warmen Norden. Aber was tut man nicht alles der Frau zuliebe, sagt er und lacht.
An unser nächsten Position haben wir mehr Glück. An einer Parada (Busstop) stehend kommt tatsächlich ein Kleinbus vorbei und hält. Für 5000 CLP (ca. 7 €) nimmt man uns und eine andere argentinische Tramperin bis in die Nähe von Bahia Murta mit, das bereits am Lago General Carrera liegt, wo sich auch die Marmorhöhlen befinden. Das Trampen klappt ja bislang recht ordentlich und die umliegenden Landschaften entschädigen für die ein oder andere Wartezeit.
Puerto Rio Tranquilo und das Wetter
Unsere nächste Mitfahrgelegenheit ist die Ladefläche eines Pick-Up. Die chilenische Familie, bestehend aus Ehepaar, zwei Kindern plus Oma füllt bereits den Innenraum. Also quetschen wir uns neben Ersatzreifen, Essensvorräte und Kinderspielzeug. Ruckeln vorbei an saftig grünen Wiesen, dichten Wäldern, rauschenden Wasserfällen, schneebedeckten Bergen und wilden Flüssen.
Angekommen in Puerto Rio Tranquilo stellen wir fest, dass der Name wirklich Programm ist (tranquilo bedeutet ruhig auf spanisch). Der Ort ist ein entspanntes Plätzchen mit einer Handvoll Restaurants und staubigen Straßen. Die Lage am See in der Nähe der Höhlen und zum San Rafael-Gletscher macht ihn zu einem beliebten Reiseziel, was sich an der Schlange der hier stehenden Trampern zeigt.
Unsere Cabaña ist noch nicht fertig für den Check-In. Also ziehen wir ein wenig durch den Ort. Eine kleine, mit Bäumen bewachsene Plaza mit einem Fischerdenkmal, eine rosa-weiß verblasste Holzkirche und natürlich der grandiose Blick über den See sind die Höhepunkte der gerade mal 10-minütigen Ortsbesichtigung. Ich stehe am Ufer und atme diese herrlich frische Luft, die man so wohl nur in Patagonien findet. Der Wind bläst wild über den See. Er ist der Herrscher über diese Landschaft, unzähmbar peitscht er den See auf.
Wir fragen nach einer Tour zu den Marmorhöhlen, doch für heute wird uns abgewunken. Keine Chance, der Wind ist zu stark und eine Bootsfahrt zu gefährlich. Morgen? Eventuell, wenn der Wind schwächer wird. Wir reservieren vorsorglich unseren Platz für den nächsten Tag. So ist das in Patagonien. Man bereist hier eine Region, die der Mensch noch nicht im Griff hat, die Reisende oft an ihre Grenzen bringt, gleichzeitig aber mit unfassbarer Natur aufwartet und glücklich macht. Wir beziehen unsere gemütliche Holzhütte mit Kamin und hoffen auf schwächeren Wind bei patagonischen Bier und einigen Runden Rommé.
Die Marmorhöhlen in Chile – ein Wunder der Natur
6.30 Uhr am nächsten Morgen. Mein erster Blick geht nach draußen. Der Wind hat etwas nachgelassen. Die Tour zu den Capillas del Marmol startet um 7.30 Uhr. Am Strand angekommen signalisiert eine grüne Flagge, dass heute zu den Marmorhöhlen gefahren werden kann. Zum Glück! Es herrscht schon reger Betrieb bei den Booten. Touristen warten ungeduldig und frierend auf das Startsignal. Endlich erhalten wir unsere Sicherheitswesten und nehmen in dem kleinen Boot mit Außenborder Platz.
Schon nach den ersten Sekunden auf dem See ziehe ich mir meine Kapuze tief ins und meinen Schal übers Gesicht. Der eisige Wind bläst unaufhörlich. Das Boot klatscht nach jeder Welle hart auf, kämpft mit den Wellen und rüttelt uns ordentlich durch. Zweimal denke ich, ich werde aus dem Boot geschleudert und klammere mich am nassen Rand fest. Das soll also die beste Zeit des Jahres sein. Ich kann mir nur in fernen Gedanken ausmalen, wie es hier im Winter wohl sein mag.
Der Motor hat schwer zu kämpfen. Ich kann durch den Wind und die Gischt kaum in unsere Fahrtrichtung schauen. Die aufgehende Sonne taucht die Berge und den See in ein magisch rot-gelbes Licht. Beängstigend und zauberhaft zugleich. Die Fahrt dauert ca. 15 Minuten und die Vorfreude auf die sagenumwobenen Höhlen steigt ins Unermessliche.
Die Catedral del Marmol & Capillas del Marmol
Als erstes begrüßen uns ein paar winzige Inseln mit interessanten Felsformationen, die uns einen Vorgeschmack auf die Höhlen geben. Es liegen zwei Inseln mit Marmorhöhlen im See, die Marmorkathedrale (Catedral del Marmol) und die (kleinere) Marmorkapelle (Capillas del Marmol). Sie sind wirklich wunderschön und das atemberaubende türkisfarbene Seewasser in Verbindung mit dem Marmorgestein machen es zu einem unvergesslichen Ort.
Das Wasser rund um die Höhlen ist durch die umliegenden Berge plötzlich still, durch die Klippen windgeschützt und nicht zu vergleichen mit der Fahrt auf dem offenen See. Ich kann sogar aufstehen, die Wände der Höhlen berühren und zahlreiche Fotos schießen. Wir gleiten mit unserem Boot in eine Höhle. Es ist so eng, dass wir unsere Köpfe einziehen müssen. Alle sind begeistert von diesem Meisterwerk der Natur, das hier durch 6000 Jahre Erosion entstanden ist.
Nach 20 Minuten bei den Höhlen geht es auch schon wieder auf die erneute ruckelige Heimfahrt. Ich kann Dir nur empfehlen, eine Fahrt zu den Marmorhöhlen zu machen, wenn du in Patagonien unterwegs bist. Sie sind wirklich einmalig auf der Welt.
Informationen zu den Marmorhöhlen:
Wie kommst du nach Puerto Rio Tranquilo:
Puerto Rio Tranquilo ist eine kleine Stadt auf der chilenischen Seite des Lago General Carrera. Du kannst Puerto Rio Tranquilo mit dem Bus von Coyhaique (4,5 Stunden) oder mit dem Kleinbus von Chile Chico (3,5 Stunden) erreichen. Falls kein Bus fährt (wie es bei mir der Fall war), ist es möglich, einfach nach Puerto Tranquilo zu trampen. Der Weg geht entlang der Carretera Austral. Ich empfehle Dir, die Tour zu den Marmorhöhlen am Morgen zu machen, wenn das Licht am besten ist.
Wo kann man eine Tour zu den Marmorhöhlen buchen:
Der einfachste Weg, die Marmorhöhlen zu besichtigen, ist mit dem Boot von Puerto Rio Tranquilo aus. Es gibt mehrere Veranstalter, die Bootstouren für 10.000 CLP (14 €) pro Person anbieten:
Alternativ kannst du auch eine Kajaktour zu den Höhlen machen, wenn das Wetter mitspielt. Die Touren kosten 35.000 CLP = ca. 38€.
Unterkunft in Puerto Tranquilo:
Cabaña Valle Exploradores bieten gemütliche Holzhütten mit Kamin, Wifi, Küche und kuscheliger Atmosphäre 5 Minuten vom See entfernt. Die Preise für eine Hütte für vier Personen starten ab 70€. Alternativ findest du in Puerto Tranquilo auch einen Zeltplatz direkt am Ortseingang auf der rechten Seite.
Cabaña Valle Exploradores buchen*Hat dir dieser Beitrag gefallen? Warst du schon bei den Marmorhöhlen und hast noch mehr Tipps? Dann ab in die Kommentare damit!
3 Kommentare
Hi Daniel!
Kann man die Marmorhöhlen auch von der Argentinischen Seite aus besuchen? Und zum trampen: für eine solo Frau, die kaum Spanisch spricht, auch empfehlenswert? 🙂
Toller Blog, habe mir auch deinen Patagonien Reiseführer bestellt (über eine Schweizer Buchhandlung), werde im März 3 Wochen dort sein 🤗
Hallo Hanna,
Zum Besuch der Marmorhöhlen müsstest du von Los Antiguos auf die chilenische Seite fahren. Für das Trampen solltest du schon etwas spanisch sprechen und ich würde es dir als Frau alleine nicht unbedingt raten und alternativ Busse nehmen. Herzliche Grüße Daniel
Gefällt mir gut. Ich habe selber am Lago General Carrera in einem Projekt in Puerto Guadal weiter südlich von Puerto Tranquillo gearbeitet. Ein beindruckendes Erlebnis.
Gruss