Es ist ein unvergesslicher Anblick. Ein mächtiger Berg aus pechschwarzem Granit. Wie eine Burg mit hunderter kleiner Türmchen, die einem Herr der Ringe Buch entsprungen sein könnte, wacht der 2675 Meter hohe Cerro Castillo über die ungezähmte Landschaft des gleichnamigen Nationalparks.
Berge üben eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Kein Wunder also, dass ich auf meiner Reise durch den Norden Patagoniens unbedingt die Burg Patagoniens, den Cerro Castillo, aus nächster Nähe sehen möchte.
Wie bei den meisten Orten in Patagonien beginnt das Abenteuer in dem Moment, in dem man sich für sein nächstes Ziel entscheidest. Die Wanderung beginnt in dem verschlafenen Nest Villa Cerro Castillo. Ich habe von meiner Tour zu den Marmorhöhlen gelernt und den Bus nach Puerto Tranquilo rechtzeitig reserviert. Villa Cerro Castillo liegt auf der Hälfte der Strecke. Da der Ort jedoch nur aus 2 Straßen und einer Bushaltestelle besteht, muss ich den den Busfahrer bitten, mich hier abzusetzen.
Der Eingang zum Trail ist leicht zu finden. Ich folge einfach den anderen Wanderern. Am Eingang des Ortes geht es einen Schotterweg entlang, an einem Restaurant vorbei und über eine Brücke.
Ein kleiner Bretterverschlag markiert den Eingang des Trails. Hier entrichtet man die 10.000 Pesos Eintritt, denn die ersten Kilometer führen durch Privatbesitz und werden dem Landbesitzer in den nächsten Jahren sicher einen ordentlichen Geldregen bescheren. Seit die Region Aysén durch den Lonely Planet gehypt wurde, kommen mehr und mehr Besucher.
Pferde, Schafe und der mystische patagonische Wald
Der Sohn des Besitzers erklärt uns die Gegebenheiten der Wanderung. Immer auf den Pfaden bleiben, den rot-weißen Markierungen folgen und besonders den letzten, steilen und steinigen Teil der Wanderung nicht unterschätzen. Der Aufstieg dauert etwa 3-4 Stunden, je nach Fitnesszustand. Wer nicht selbst laufen möchte, könnte auch Pferde in Anspruch nehmen, die den Großteil des Trails bewältigen werden.
Ich übernehme die Laufarbeit natürlich selbst und gönne den Vierhufern ihre wohlverdiente Ruhe. Überquere einen kleinen Zaun und die Mission Cerro Castillo kann starten. Der stille, wilde chilenische Wald liegt vor mir. Es folgt ein kleiner Kuhfladen- und Pferdeäpfel-Slalom. Die Füße versinken im toten Laub, brüchige Zweige knacken unter meinen Füßen. Ich bin allein in dieser sagenhaften Natur und genieße jeden Meter, den ich zurücklege. Höre dem Zwitschern der Vögel zu, passiere eine Schafherde, die sich genüsslich das tiefgrüne Gras einer Lichtung schmecken lässt. Immer begleitet vom patagonischen Wind, der besonders auf den baumlosen Abschnitten das Vorwärtskommen erschwert. Wandern ist für mich wie Meditation. Schweigend durch die Natur und dabei mit jedem Schritt mehr bei sich ankommen eröffnet neue Horizonte und erfrischt mit vollkommener Klarheit.
Der erste Teil der Cerro Castillo Wanderung ist keine große Anstrengung und ich komme zügig voran. Die Vegetation wird von Schritt zu Schritt spärlicher. Nur noch hüfthoch sind die Sträucher und vereinzelt stehen die vom Wind gezeichneten, knorrigen Lenga Bäume. Das raue Klima und die starken Winde formen hier oben die Landschaft.
Ich lege eine Pause ein. Schaue hinab ins Tal. Was für ein Anblick. Diese weite, menschenleere Landschaft liegt mir zu Füßen. Verschlungene Flußläufe, weit entfernte Gipfel ohne Namen und ein weites Spektrum an gedeckten Naturtönen erfüllen mein Herz mit Glück und brennen sich tief in mein Gedächtnis ein.
Ein Meer aus Steinen
Eine Banane und einen Müsliriegel später geht es nun an den schwierigen Part der Wanderung. Die Baumgrenze ist erreicht und das Aussehen der Landschaft ändert sich schlagartig. Aus bewachsenem Boden und festem Untergrund wird ein von Steinen und Geröll überhäufter Weg, der steil nach oben führt. Ich ärgere mich, dass ich meine Stöcke nicht dabei habe, denn hier rutscht man schneller weg, als man Cerro Castillo sagen kann. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen und teste die Trittfestigkeit. Der Blick nach oben verheißt Steine, Steine und noch mehr Steine. Der Weg wird immer schmaler. An manchen Stellen stütze ich mich mit den Händen ab und hoffe inständig, dass die Felsbrocken mir wohlgesonnen sind und nicht den Weg ins Tal antreten, solange ich hier herumkraxel.
Ich muss mehrere Pausen einlegen und merke wie sehr dieser Weg an meinen Kräften zerrt. Der Wind peitscht mir um die Ohren. „Was willst du hier, Eindringling?“, scheint er zu schreien. Doch aufgeben ist keine Option. So sehr habe ich mir gewünscht, diesen Ort zu sehen, den ich bislang nur von eindrucksvollen Bildern kenne. Kämpfe mich weiter nach oben. 20 Meter laufen, kurz verschnaufen. Die Knie fangen an zu schmerzen und mein Herz rast spürbar vor sich hin.
„30 minutos mas – noch eine halbe Stunde“ ruft mir ein Abgänger zu. Danke für die Motivation, Amigo!
Erschöpft und glücklich – Am Fuße des Cerro Castillo
Jetzt ist es nur noch eine Frage des Willens. Die Kraft ist dem Körper entwichen. Ich passiere eine Kurve. Die Spannung steigt ins Unermessliche. Das Erste, was mir ins Auge fällt, ist eine Lagune, deren türkisfarbenes Wasser jeder Beschreibung von Türkis spottet. Dies muss das vollkommene Türkis-blau sein. Mit einem Mal strömt eine totale Zufriedenheit durch meinen erschöpften Körper. Ich will näher ran. Ein Schild zeigt mir an, dass ich es geschafft habe. Mirador Cerro Castillo. Ich lasse mich auf einen großen Stein fallen, streife meinen Rucksack ab und genieße den Endorphin Ausstoß.
Eine gigantische, tiefschwarze Wand liegt vor mir. Bedrohlich und faszinierend zugleich. Es gibt keinen passenderen Namen als „Castillo“ – die Burg, denn hier fehlen wirklich nur noch Feuer und umherfliegende Drachen. Ein Ort wie aus einem Fantasy-Roman. Imposante Wasserfälle rauschen hinab in die Laguna Castillo. Ein mächtiger Gletscher hängt wie gefangen in den Klauen am Rand des Berges. Für mich ist dieser Ort ebenso beeindruckend und tiefgängig wie die Türme des Cerro Torre im Torres del Paine Nationalpark.
Eine Stunde lang liege ich hier, genieße diese Landschaft, den Moment, die Stille und versuche möglichst viel davon auf mich zu übertragen und zu konservieren. Danke für diese unvergessliche Begegnung, Cerro Castillo.
Informationen zum Cerro Castillo Tages Trek
- Startpunkt: Aus Richtung Coyhaique kommend, befindet sich am Ortseingang von Villa Cerro Castillo ein unbefestigter Weg auf der rechten Seite. Hier befinden sich auch Campingplätze und ein Restaurant. Folge diesem Weg ca. 300 Meter. Nach Überquerung einer Brücke siehst du ein kleines Büro. Hier kaufst du dein Ticket (10000 chilenische Pesos = ca. 14 €) und erhältst Informationen über den Trail.
- Streckenmarkierung: Folge immer den rot-weißen Wegmarkierungen.
- Wanderzeit: Für den Hinweg habe ich insgesamt ca. drei Stunden gebraucht. Eine Stunde lang habe ich die Aussicht auf den Cerro Castillo genossen und war mit knapp zwei Stunden recht schnell wieder unten im Tal. Plane also etwa 6-7 Stunden für die Wanderung ein.
Was du auf einer Wanderung zum Cerro Castillo mitnehmen solltest:
- Daypack
- Feste Wanderschuhe (am besten mit hohem Schaft)
- Sonnenschutz (Sonnencreme und Mütze)
- Trekking-Stöcke sind zu empfehlen, da gerade der letzte Teil sehr steil und rutschig ist.
- Insektenspray (Die chilenischen Pferdebremsen sind echte Plagegeister!)
- Proviant (Bananen, Müsliriegel, Cracker)
- Ausreichend Wasser (Du kannst auch Wasser an zwei Stellen im Park nachfüllen. Das Gletscherwasser ist sauber und trinkbar)
- Badeutensilien. Hartgesottene können ein Bad in der eiskalten Lagune nehmen.
2 Kommentare
Im Frühjahr (16. Nov. 23) kann der Trail noch gesperrt sein, da die Wege noch mit Schnee bedeckt sind. Das trifft dann leider auf fast alle Trails im Park zu.
Hallo Peter,
Danke für en Tipp. Je nach Wetterlage schließt die Forstbehörde immer mal wieder Parks. Deswegen sollte man sich vorab informieren.
Viele Grüße Dsniel