“Das Klima ist im Winter entsetzlich und im Sommer nur unwesentlich besser”
schrieb Charles Darwin 1834 über Chiloé.
Nichts gegen Charles Darwin, den großen Entdecker und Naturforscher. Aber es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Das hat meine Ma immer gesagt. Mit genug regenfesten Textilien starte von Valdivia aus mit dem Bus in Richtung Ancud im Norden der Insel. Ich stehe auf Inseln. Aus dem ganz simplen Grund, dass man eine natürliche Begrenzung hat und so je nach Größe der Insel in einer definierten Zeit viel sehen kann. Anders als bei Kontinenten, wo mich von Zeit zu Zeit das “ich werde hier nie alles sehen können” Gefühl begleitet.
Brücke gibt es keine. Die chilenische Regierung hätte gern eine, die widerspenstigen Chiloten wollen gerne unter sich bleiben und lehnen es ab. Äußerst sympathisch. Und so übernehmen Fähren den Transport über den Kanal von Chacao. Geht doch auch.
Eingekuschelt in meine warme Jacke mache ich mich auf die Überfahrt durch den Kanal von Chiloé. Der kühle Wind bläst mir ins Gesicht. Ich atme die salzige Meeresluft und beobachte die flinken Möwen, die wagemutig kurz über der Wasseroberfläche nach Beute Ausschau halten. Mit etwas Glück bekommt man hier auch Delphine und Wale zu Gesicht, sagt Alberto, der im Süden der Insel auf einer der zahlreichen Lachsfarmen arbeitet. Chile ist nach Norwegen der zweitgrößte Lachsproduzent. Ich habe kein Glück heute. Die Meeressäuger sind anderweitig beschäftigt und ich muss mich mit der herumfliegenden Spezies begnügen.
Chiloé- Ein Stück Irland in Chile
Als die Insel in Sichtweite kommt, überkommt mich sofort der Gedanke an Irland – in saftiges Grün getauchte Hügel überziehen das Eiland, das in Chile für seine schrulligen Einwohner und Sagen rund um Geisterschiffe, Kobolde und Hexen bekannt ist. Die bekannteste dreht sich um den Kobold “Trauco”, der hier im Schutz des Küstennebels Jungfrauen entführen und schwängern soll.
“Voladoras”, fliegende Hexen, treiben hier ebenfalls ihr Unwesen, sofern man den Mythen der Insulaner glaubt. Auf den Wellen des Ozeans, erzählen die Alten, könne man in der Ferne immer wieder auch die “Caleuche” sehen, ein Geisterschiff mit weißen Segeln und lauter Musik, das sich in Felsblöcke oder Baumstämme verwandeln kann. Die Sagen vererben sich hier auf der Insel seit Generationen.
Ancud. Ich bin früh auf den Beinen und mache ich mich zuerst an die Erkundung der Stadt. Es ist eine verblasste Schönheit. Vergilbte Holzfassaden und abgerockte Straßen gleichen einer Westernstadt aus vergangenen Tagen. Auf dem Marktplatz gibt es eine Touristeninformation, in der mich eine nette und äußerst motivierte Chilenin mit so viel Chiloe Material ausstattet, dass ich Angst um mein Zeitmanagement in den verbleibenden 3 Tagen habe. Ihr gutgemeinter Ratschlag zum Abschied: “Egal wohin, nie die Regenklamotten vergessen.”
Es regnet viel in Chiloe. Noch so eine Gemeinsamkeit mit Irland. Die etwa 50 Kilometer breite und 180 Kilometer lange Insel am Ende der Welt zählt zu den niederschlagsreichsten Gegenden überhaupt. Die Luftfeuchtigkeit ist hier besonders hoch und Nebel allgegenwärtig. Viel Zeit also, um sich kuriose und abenteuerliche Geschichten auszudenken.
Ancud hat an seiner Plaza ein kleines, aber sehenswertes Museum, das Museo Azul de las Islas de Chiloé. Hier erfahre ich alles über die Geschichte und sagenumwobenen Figuren der Insel.
Ich verlassen den Stadtkern in Richtung Hafen. Ein guter Zeitpunkt. Es legen gerade die ehemals bunten, jetzt verblichenen Fischerboote an. Randvoll mit allem, was der fischreiche Süden Chiles zu bieten hat. Seetang, Krebse, Muscheln und allerlei Fisch landet in den Köschern der umtriebigen Pescadores.
Ausflug zu den Pinguinen in Punihuil
Nach dem Mittagessen mache ich mich mit dem Bus auf den Weg ins 30 km entfernte Punihuil, wo es zwei Pinguinkolonien geben soll. Auf dem Weg dorthin lese ich, dass der stinkreiche Ex Präsident und Milliardär Sebastián Piñera im Süden von Chiloe einen privaten Nationalpark besitzt. Man munkelt auch von einem Luxusresort, das errichtet werden soll. Und einem Flughafen, der Touristen schneller auf und von der Insel bringt. Es hagelt Kritik seitens der Zivilisationsmüden, die sich auf Chiloé zurückgezogen haben. Sie wollen die Ruhe und Abgeschiedenheit der Insel erhalten. Wie recht sie doch haben.
Ankunft in Puñihuil. Die Magellan und Humboldtpinguine sind hier auf einer vorgelagerten Vulkaninsel von November bis März mit der Aufzucht Ihres Nachwuchses beschäftigt. Am Strand warten schon die Boote auf Neuankömmlinge. Die einstündige Fahrt kostet 6000 Pesos, also etwa 8 Euro. Rein ins Boot und rund um die Inseln, die seit ´99 unter Naturschutz stehen und aus diesem Grund nicht betreten werden dürfen.
Aber auch so kommt man nah genug an die Komorane, Austernfischer, Seelöwen und Pinguine heran. Auf den ersten Blick sind die beiden Arten nicht zu unterscheiden. Der Kapitän erklärt uns Amateurornithologen, dass bei den Humboldtpinguinen das schwarze Band unter dem Hals fehlt.
Bei meiner Rückkehr neigt sich der Tag langsam dem Ende zu und ich kehre mit tollen neuen Eindrücken in mein Hostel Mundo Nuevo zurück, welches ich wärmstens empfehlen kann. Es liegt direkt am Meer und so kann man den Sonnenuntergang mit einer Flasche kühlem Austral (Bier aus dem Süden Chiles) genießen.
Castro – Holzkirchen, Meeresfrüchte & Palafitos
Nach einem ausgiebigen Frühstück mit frisch gebackenem Brot mache ich mich früh auf den Weg zum Busbahnhof. Es geht in die 80 km entfernte Hauptstadt Castro, die mich – entgegen aller meteorologischen Logik – mit strahlendem Sonnenschein erwartet. Hier findet man unzählige sogenannte Palafitos, bunte Häuser, die auf Pfählen gebaut und so vor Hochwasser geschützt sind.
Castro ist eine belebte kleine Stadt, wunderschön gelegen am Ufer eines Kanals. In Ihrem Zentrum steht die hölzerne Kathedrale. Ich bin alles andere als gläubig, aber Kirchen ziehen mich aufgrund Ihrer Architektur magisch an. Die Insel ist durchzogen von Gotteshäusern, die von Jesuiten im 17. Jahrhundert erbaut wurden. Einige davon sind Weltkulturerbe und haben eine spezielle Bauweise, die ohne Schrauben und Nägel auskommt.
Ich trinke einen Tee bei Marion. Sie führt an der Plaza ein kleines deutsches Café. Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue, wie oft man am “Arsch” der Welt mit deutschen Auswanderern in Berührung kommt. Der leckere Kuchen entschädigt für die urdeutsche Einrichtung, an der meine Oma ihre helle Freude gehabt hätte. Das Schild am Eingang steht symbolisch dafür – “Tritt ein, bring Glück herein”.
An der Costanera, der Promenade von Castro kann man in den dortigen Palafitos fangfrischen Fisch & allerlei Meeresfrüchte zu günstigen Preisen genießen. Es gibt es einen kleinen Kunstmarkt und ausrangierte Eisenbahnen und Waggons der chilotischen Eisenbahn zu bestaunen. Züge sind nach dem schweren Erdbeben von 1960 allerdings ein Relikt vergangener Tage.
Rein ins Abenteuer – Parque Nacional de Chiloé
Mein nächstes Ziel ist der Parque Nacional de Chiloé, einer der zwei großen Nationalparks auf Chiloè. Von Castro kommt man in 1,5 Stunden nach Cucao zum Eingang des Parks, der selbst für chilenische Verhältnisse günstig ist (1000 CLP). Man erhält eine Wanderkarte und Informationen zu Übernachtungsmöglichkeiten im Park (Bungalows, ab 25€).
Ein Rundweg führt mich vorbei an dichten Kiefernwäldern. Durch noch dichteren Nebelwald mit all der Viefalt der regenfeuchten Flora der südlichen Hemisphäre. Knorrige Tepu-Bäume, vom Wind gebogene Arrayanen, chilenische Myrte, patagonische Zeder, Araukarien und Coihue-Scheinbuchen. Dies ist das Land der Huilliche Indianer, Chiloés Ureinwohner, deren Vorfahren in der Abgeschiedenheit die Kolonisation durch spanische Eroberer und chilenische Großgrundbesitzer überlebt haben.
Stechmücken surren um meinen Kopf. Mistviecher. Im Park gibt es Pudus, die kleinsten Hirsche der Welt, außerdem flinke Beuteltiere, die hier Bergäffchen heißen, oder die chilenische Opossummaus. Sie alle konnten wegen der isolierten Lage Ihren Bestand erhalten. Ich gelange an eine der hier in regelmäßigen Abständen stehenden Aussichtsplattformen, von denen man eine grandiose Aussicht über den Park bis an die wilde Brandung der Küste hat.
Küste ist das Stichwort. Da will ich hin. Zum Pazifik, dem Herkules unter den Weltmeeren. Rau und ungezähmt umspült er die schroffen Felsen der Insel. Ich biege vom Weg ab. Schlurfe durch den tiefen Sand in den Dünen. Blicke hinauf aufs Meer. Dort leben Wale und schwarz-weiße Commerson Delfine, Humboldt-Pinguine, Mähnenrobben, Seebären und Magellan-Riesendampfschiffenten. Ja, die heißen wirklich so.
Die anwesende Kuhherde schaut interessiert nach dem komischen Kerl mit dem Rucksack. Die Kühe sind wahre Chiloten, lieben das Meer und tummeln sich zuhauf an dem imposanten, menschenleeren Strand. Leider ist auch hier die Verschmutzung der Ozeane nicht zu übersehen. Einige der Kühe kauen auf angeschwemmten Plastikmüll herum.
Weiter Richtung Norden treffe ich auf Fußball spielende Kinder. Hier ist die Welt noch in Ordnung und Smartphone frei. Ich darf eine Runde mitkicken und bin von nun an Bastian Schweinsteiger. Das ist der einzige Fußballer, den sie aus Deutschland kennen. Zum Glück bin ich nicht Oliver Kahn…
Ich ziehe weiter, durch eine bizarre Auenlandschaft. Ein Fischotter huscht verschreckt ins Dickicht. In dem klaren Wasser spiegeln sich die Wolken. Vor Einbruch der Dunkelheit erreiche ich meinen Bunglow und ziehe mich zurück. Ich möchte das Schicksal nicht herausfordern, von fliegenden Hexen oder Geisterschiffen entführt werden. Mystisches Chiloe.
Verbinde deinen Aufenthalt auf der Insel am besten mit einer Reise durch den kleinen Süden oder dem Norden von Patagonien, der Region Aysén. Plane für Chiloe aber mindestens drei Tage ein.
Anreise nach Chiloé
Von Santiago de Chile fliegt LATAM oder Sky nach Puerto Montt. Hin und zurück ab 80 Euro. Am Flughafen Puerto Montt sind alle großen Mietwagenfirmen vertreten. Du kannst mit dem Bus von Puerto Montt nach Ancud fahren (5000 Clp = 7 €) Mit dem Bus fährst du von Santiago nach Castro (17 Stunden). Von Castro aus gibt es verschiedene Anschlüsse und Verbindungen zu anderen Orten der Insel.
Unterkünfte in Chiloé
In Ancud empfehle ich Dir das Mundo Nuevo. Der Schweizer Martin betreibt dieses Hostel am Meer mit viel Hingabe. Klasse Frühstück mit frisch gebackenem Brot. (DZ ab 60€, Dorm ab 18€)In Ancud empfehle ich Dir das Mundo Nuevo. Der Schweizer Martin betreibt dieses Hostel am Meer mit viel Hingabe. Klasse Frühstück mit frisch gebackenem Brot. (DZ ab 60€, Dorm ab 18€)
Mundo Nuevo buchenIn Castro gibt es eines der tollsten Hostels in ganz Chile. In einem Pfahlhaus untergebracht ist das Palafito Hostel die perfekte Unterkunft zur Erkundung der Insel. (DZ ab 65€, Dorm ab 18€)
Palafito Hostel buchenAktivitäten in Chiloé
Chiloe ist ein Paradies für Outdoorsport und bietet Naturfreunden genau die richtigen Voraussetzungen, um aktiv zu sein. Folgende Aktivitäten solltest du nicht verpassen. :
- Kayaking: Chiloe auf dem Wasserweg zu erkunden hat seinen besonderen Reiz. Empfehlenswerte Touren organisiert YAK Expediciones.
- Trekking 2 große Nationalparks laden zum Trekking ein: Parque Nacional de Chiloé (Eintritt 1000 Clp, Refugio ab 7000 Clp)und Parque Tantauco im Süden der Insel (Eintritt 3000 Clp, Refugio ab 7000 Clp) Hier kannst du Treks unterschiedlicher Länge und Dauer machen. Eine Karte erhälst du am Parkeingang.
- Whalewatching: Im Golfo Corcovado im Nordosten der Insel kommt es zu den häufigsten Blauwal Sichtungen der südlichen Hemisphäre. Die beste Zeit, um die Riesen zu beobachten, ist allerdings bei kühlerem Wetter zwischen März und Oktober. In Puñihuil besitzen Ecomarine Puñihuil ein Boot für 8 Passagiere. (Kosten 95.000 Clp, ca. 130 €) Hier werden auch Touren zu den Pinguinkolonien angeboten.
- Pinguine beobachten: Diese Tour kann man leicht selbst organisieren. Von Ancud den Bus nach Puñihuil nehmen. Dort stehen mehrere Boote zur Abfahrt auf die Inseln bereit. (ca. 6000 Clp)
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3 Kommentare
Hallo Daniel,
wann wäre denn die beste Reisezeit für Chiloe?
Grüße
Tim
Hallo Tim. Ich kann Dir die Zeit von Nov – März empfehlen. Dann regnet es weniger (Chiloe ist eine der regenreichsten Regionen der Welt) und es ist nicht so kalt. Viele Grüße Daniel