Coquimbo wird häufig als das Valparaiso des chilenischen Nordens bezeichnet. Die Charakteristik ist ähnlich. Viele Hügel, ein ehemals bedeutender Hafen und Piraten-Geschichten.
Nicht viele Besucher Chiles haben die Hafenstadt bei La Serena auf Ihrer Liste. Ein Fehler. Coquimbo empfängt seine Besucher mit bewegter Geschichte, Piratenlegenden, einer Moschee und exzellentem Seafood. Ich liebe es, an Orte zu kommen, die ich vorher so gar nicht auf meiner Liste hatte und die mich mit Ihrem Charme in Ihren Bann ziehen. Das Leben ist ein ein Abenteuer mit vielen unerwarteten Drehungen, Wendungen und spannenden Stellen. Stellen wie Coquimbo.
Nach meinem Trip durch das Valle del Elqui und einige Tage in La Serena wurde es Zeit für eine Neuentdeckung. Coquimbo, das Valparaiso des Nordens und Namensgeber dieser Region – Región de Coquimbo.
Der Weltumsegler und berühmte Pirat Francis Drake soll der Legende nach der Entdecker dieser Bucht gewesen sein. Jedoch befand sich zum damaligen Zeitpunkt noch keine Menschenseele an dieser Landzunge, die tief in den Pazifik hereinragt. 1550 wurde die erste Siedlung unter der Führung des spanischen Eroberers Pedro de Valdivia errichtet. Aufgrund der vielen Bodenschätze dieser Gegend erlangte die Stadt schnellen Zuwachs durch die Spanier und Engländer. Die alten Bauten der beiden Kolonialmächte sind heute noch in Coquimbo zu bewundern.
Die raue Hafenstadt im kleinen Norden
Ich nehme den Microbus für läppische 800 chilenische Pesos (ca. 1,10€) von La Serena ins 15 km entfernte Coquimbo. Erstmal ist „Taco“ – chilenisch für Stau – angesagt. Auf der vielbefahrenen Ruta 5 und Costanera quälen sich jetzt in der Sommerzeit Tausende von Autos durch die Küstenstraßen. Nach einer halben Stunde erreiche ich endlich mein Ziel – das Stadtzentrum.
Während La Serena herausgeputzt und touristisch daherkommt, ist Coquimbo das raue Gegenstück. Immer noch vom schweren Erdbeben 2015 gebeutelt, sieht man hier viele zerfallene Gebäude, die notdürftig mit wenigen Brettern zusammengehalten werden. Es fällt auf, dass hier der ärmere Bevölkerungsteil dieser Region wohnt.
Geld für den Wiederaufbau fehlt an allen Ecken und Enden. Waren aller Art – Heftpflaster, Taschentücher, Condorito Comics, Billigzigaretten und vieles mehr – werden auf den belebten Straßen angeboten. Streunende Hunde bahnen sich den Weg durch die Gassen der steilen Hügel. Ich fühle mich im ersten Moment an Valparaiso erinnert.
Der Hafen von Coquimbo
Ich mache mich auf in Richtung Hafen. Coquimbo ist berühmt für Fisch & Meeresfrüchte. Jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang laufen die Fischer in die Weiten des Pazifiks aus, um Reineita (Flunder), Congrio (Seeaal) und Merluza (Seehecht) zu erbeuten. Lautstark preisen Händler ihre fangfrische Ware an. Der Geruch von Fischabfällen und offenen Küchen durchzieht die Luft einer kleinen Passage, in der sich die Fischhändler das ein oder andere Preisduell liefern. Strassenhunde versuchen, Fischabfälle aus dem Müll zu ziehen, werden aber sogleich von den Händlern vertrieben. Ein endloses Katz und Maus Spiel, das sich tagtäglich wiederholt.
In den unzähligen kleinen Restaurants ist jetzt zur Mittagszeit die Hölle los. Gitarrenspieler unterhalten die Gäste mit folkloristischen Volksliedern, chilenische Großfamilien besetzen die abgenutzten Tische und warten hungrig auf die dargebotenen Speisen. Ich esse eine Paila Marina, eine Suppe, bestehend aus Muscheln, Krebsfleisch und Shrimps. Und natürlich Koriander. Ein paar Stände weiter bekommt man frisches Ceviche für 2000 Pesos. Wer hier isst, sollte seinen Geruchssinn ausschalten und eine gehörige Portion Gelassenheit in Punkto Sauberkeit mitbringen. Dafür wird man mit günstigem, gutem und frischem Essen entschädigt.
Am Hafen liegen die Touristenboote vor Anker. Katamarane, Piratenschiffe und sogar ein Wikingerschiff stehen zur Auswahl, um eine einstündige Exkursion rund um die Bucht von Coquimbo zu unternehmen. Die Promoter, verkleidet als schlechte Versionen von Jack Sparrow und Erik, dem Roten, schreien um die Wette, um Kundschaft an Bord zu locken. Ich entscheide mich gegen die beiden Streithähne und für einen der Katamarane.
Eine Bootsfahrt in die Bucht von Coquimbo
Der Bootstrip, der mich gerade mal 2000 CLP (Rund 2,50€) kostet, beginnt mit einer Rundfahrt durch das Hafenbecken, wo ich heute das zweite Mal mit den Ausmaßen des Erdbeben konfrontiert werde. Zerstörte Kaimauern, verlassene, mit Rissen und Löchern versehene Bootshallen und zwischendurch immer der Versuch des Neuaufbaus mit bescheidenen Mitteln und zu wenig Baumaterial. Ich halte kurz inne und höre dann wieder Sebastian, unserem motiviertem Guide zu. Wer des Spanischen mächtig ist, erfährt auf dieser Fahrt viel über die Geschichte der Stadt und die verschiedenen Eroberer, die hier an Land gegangen sind.
Einige hundert Meter weiter kann ich mich wieder an der Schönheit dieser Bucht erfreuen. Riesige Felsformationen aus sandfarbenem Gestein türmen sich am Ufer vor uns auf. Pelikane ziehen in perfektem Formationsflug vorbei. Auf den vorgelagerten Felsen im Meer tummeln sich unzählige Kormorane und hunderte von Mähnenrobben. Die meisten halten gerade Siesta und strecken Ihre schweren, fetthaltigen Körper in die Sonne. Nur wenige von Ihnen zeigen, zu welcher Leistung diese an Land so träg wirkenden Tiere im Wasser fähig sind. Elegant und rasant gleiten sie auf der Jagd nach Beute durch die kalten Fluten des Pazifiks.
Barrio Ingles – das englische Viertel in Coquimbo voller Geschichte
Wieder festen Boden unter den Füßen laufe ich die Av. Anibal Pinto in Richtung Norden. Barrio Ingles ist das Viertel mit den kolonialen Hinterlassenschaften der Engländer. Am besten besucht man das Viertel in der Abenddämmerung – dann kommen die Farben und Texturen der ehemaligen alten englischen Villen aus dem 18. Jahrhundert ganz besonders zum Tragen. Abends wird Barrio Ingles zur Flaniermeile und etwa 50 Pubs, Diskotheken und Restaurants verwandeln das tagsüber ruhige Viertel zum Szenetreff der jungen Leute. Kleine Läden bieten feine Weine, Schokolade und regionale Kunstobjekte an.
Ich statte den beiden kleinen Galerien Casa de las Artes und Casa de la Cultura einen Besuch ab. Sehr lohnenswert ist die Ausstellung chilenischer Fotografen von u.a. der mich immer wieder begeisternden Paz Errázuriz.
Mein Tipp: Sei nachts in Coquimbo vorsichtig und bewege dich nur auf den Hauptstraßen im Zentrum. Meide die Hügel, da dort die Gefahr eines Überfalls auf Touristen erhöht ist.
Cruz del Tercer Melenio – Das größte katholische Bauwerk Südamerikas
Ich verlasse Barrio Ingles und mache mich an den Aufstieg zum mächtigen Cruz del Tercer Milenio, dem Kreuz des dritten Jahrtausends. Mit jedem Schritt der Hügelspitze entgegen wird es mächtiger. Dieses Monument ist eines der größten katholischen Bauwerke in ganz Südamerika, ein wichtiger Wallfahrtsort und das Wahrzeichen von Coquimbo. 300 Meter über dem Meer, 93 Meter hoch und 40 Meter breit ist dieses beeindruckende Werk der Architekten Carlos Aguirre Mandiola, Carlos Baeza, Juan Pablo Gayani und Álvaro Páez Rivera. Der Bau wurde im Jahr 2000 fertiggestellt. Ein Museum zeigt die einzelnen Bauphasen seiner Entstehung.
La Mezquita – die Moschee von Coquimbo
Das Kreuz ist aber nicht das einzige beeindruckende Bauwerk in Coquimbo. Einige Hügel entfernt thront eine islamische Moschee über der Stadt. La Mezquita. Ein exakte Replika der Koutoubia-Moschee im marrokanischen Marrakech. Ein Moschee in Chile, wo nur 0,4 % der Bevölkerung Muslime sind? Genau das war auch mein Gedanke.
Mir wird erklärt, das das Gebäude als Begegnungszentrum errichtet wurde und die Kommunikation sowie den Dialog unter den Religionen ermöglichen und fördern soll. Die Moschee vom marokkanischen Architekten Faissal Cherradi wurde am 14. März 2007 in Gegenwart des Bürgermeisters von Coquimbo, Oscar Pereira, eingeweiht. Eine Besichtigung ist täglich von 10 – 18 Uhr möglich. Der Eintritt ist frei.
Du siehst, auch abseits der touristischen Ziele gibt es in Chile unheimlich viel zu entdecken. Statte Coquimbo auf jeden Fall einen Besuch ab.
Anreise nach Coquimbo
Nach Coquimbo kommst du mit dem Microbus vom Terminal in La Serena für 800 Clp. Ein Taxi kostet etwa 5000 Clp. Der Flughafen von La Serena ist täglich von Santiago aus mit LAN oder Sky Airlines erreichbar. Günstiger ist der Nachtbus von Santiago. In der Cama Klasse zahlst du ca. 20.000 Clp.
Unterkünfte in Coquimbo
Da es nachts nicht ganz ungefährlich in Coquimbo ist, solltest du in La Serena übernachten. Das El Arbol liegt zentral und ist für mich das beste Hostel in der Gegend, was Komfort, Frühstück und Staff angeht. Es liegt außerdem nah am Busbahnhof, so dass du in etwa 15 Minuten in Coquimbo bist.
El Arbol Hostel buchenEssen und Trinken in Coquimbo
Iss auf jeden Fall auf dem lokalen Fischmarkt. Hier bekommst du Paila Marina, eine Fischsuppe, leckeres Ceviche und viele andere authentische Gerichte zu unschlagbaren Preisen.
Warst du schon mal in Coquimbo? Dann teile mir doch deine Erfahrungen in den Kommentaren mit.
2 Kommentare
Ich war das letzte Mal 2006 in La Serena und Coquimbo. Das Milleniumkreuz war damals schon errichtet.
Ich war sehr gern am Fischereihafen, habe so gern die Meetrsfruechte-Empanadas gegessen. Wir wohnten in La Serena, Avenida del Mar, damals Club Resort und ich bin morgens mit dem Fahrrad zum Fischmarkt gefahren.
Hafenrundfahrt haben wir auch gemacht – Robbeninsel usw.
Das sind vergangene Zeiten, doch meine schönsten Reiseerinnerungen
Hallo Karin,
Danke für das Teilen deiner Erinnerungen und viele Grüße aus Chile!