„Valparaiso es Chile“
Valparaiso ist Chile. Diese Aussage der Porteños, den Einwohnern von Valparaiso, trifft es genau auf den Punkt. Die raue Hafenstadt hat so gar nichts gemein mit den Glaspalästen, Anzugträgern und rausgeputzten Vierteln Santiagos, der schönen Nachbarin von nebenan.
Nein, Valparaiso hat den Charme eines alten Boxers, der K.o. geht, aber immer wieder aufsteht und durch seine Kämpfe gezeichnet ist. Doch diese Narben machen genau das aus, was ich an Valpo, wie sie von den Einwohnern liebevoll genannt wird, so sehr mag. Es ist keiner dieser „Liebe auf den ersten Blick“ Momente, die einem beim ersten Besuch der ältesten Stadt Chiles überkommen. Diese Stadt will erobert werden und je tiefer man in Sie eintaucht, desto größer und intensiver wird die Leidenschaft.
Ein unangenehmer Geruch von Straßenabfällen und Hundekot dringt einem in die Nase, wenn man aus dem Busbahnhof kommt. Straßenhunde an allen Ecken. Und laut ist es. Zahlreiche Straßenhändler preisen auf dem Vorplatz lautstark ihre Waren an, während zwielichtige Taxifahrer auf der Jagd nach Gringos sind, denen man im undurchsichtigen Straßenwirrwarr dieser Stadt leicht das Geld aus der Tasche ziehen kann. So empfängt Valparaiso also seine Gäste.
Valparaiso und die Cerros
Valparaiso ist der Alptraum von Stadtplanern, denn hier wurde einfach wild und undurchsichtig in mehr als drei Dutzend Hügel (Cerros) hineingebaut. Wie Schwalbennester kleben die bunten Holzhäuser an den steilen Hängen der Küste und verpassen der Stadt den Charme eines Freilufttheaters.
Valpo, wie sie liebevoll von den Locals genannt wird, hat in seiner fast 500 jährigen Geschichte schon einige Schicksalsschläge über sich ergehen lassen müssen. Schwere Erdbeben und Feuer (der letzte Großbrand war 2014) prägen die Stadt bis heute und dennoch zählt sie zu den interessantesten, lebensfrohesten und farbenreichsten Städten in ganz Südamerika.
Valparaiso war bis zur Eröffnung des Panamakanal der größte Seehafen in ganz Lateinamerika und ein Zentrum des Welthandels. Somit kam viel buntes und internationales Volk in die Stadt. Engländer, Deutsche, Holländer, Franzosen und Spanier hinterließen hier ihre markanten Spuren in Form von prächtigen Kolonialbauten.
Aber nicht nur die Seefahrer und Händler suchten und fanden hier Ihr Glück. Valparaíso hat Generationen von Dichtern, Schriftstellern, Künstlern und Intellektuellen angezogen, die sich hier im Labyrinth der Cerros (Hügel) inspirieren ließen. Um auf die Hügel zu kommen gibt es überall in der Stadt verteilt Aufzüge, die sogenannten Ascencores. Eine Fahrt mit diesen wackeligen Holzkisten, befestigt an Seilzügen, erfordert jedoch einiges an Mut und Schwindelfreiheit. Einige von ihnen sind bereits über 100 Jahre alt.
Valparaiso ist ingesamt in 5 Distrikte aufgeteilt, die wie auch die Hügel selbst eine eigene Charakteristik aufweisen.
1. Cerro Barón
Dieser Stadtteil im Nordosten von Valparaiso besteht aus einer Kette von Cerros vom Cerro Esperanza bis zum Cerro El Molino. Neben der technischen Universität mit seiner beeindruckenden Neogotischen Zitadelle befindet sich hier eines der bekanntesten Bauwerke, die 1845 erbaute Iglesia de San Francisco. Ihr voluminöser Kirchturm ist sogar vom Meer aus gut sichtbar und diente den Seefahrern von damals als Leuchtturm. Im Juni zur Fiesta de San Pedro lassen hier viele Menschen Ihre Haustiere heilig sprechen. Kein Scherz!
Zur Erkundung startest du am besten an der Promenade des Pier Muelle Barón. Hier kannst du 200 Meter weit ins Meer hinauslaufen und hast eine fantastische Sicht über die gesamte Bucht. Weiter geht es auf der Wheelright Promenade zwei Kilometer am Pazifik entlang, gesäumt mit Fahrradwegen und Aussichtsplattformen.
Vorbei an der technischen Universität kommst du zur Portales Bucht, wo man den Fischern bei Ihrer täglichen Arbeit zusehen kann. Hier findest du gleich sechs verschiedene Restaurants, die fangfrischen Fisch & Meeresfrüchte anbieten. Meine Empfehlung: Das Restaurante Proa Al Mar. Du solltest hier auf jeden Fall Merluza (Seehecht), Reineta (Flunder) Congrio (Seeaal) oder eine Sopa de Jaiba (Krebssuppe) probieren!
Gestärkt kannst du dich jetzt an die Besteigung des Cerro Barón machen. Überquere die vielbefahrene Strasse Los Placeres und laufe die Calle Diego Portales Richtung Hügelspitze. Du hast hier einen gewaltigen Ausblick über Valpo, die Universad Catolica, den Kirchturm der Iglesia San Franciso und den Kongress.
Zugegeben, von Valparaiso kriegt man nie genug, aber falls dieser seltene Zustand mal eintreten sollte, kannst du von Cerro Barón leicht einen Bus die Küste entlang in das mit Hotelburgen zugebaute Touristenzentrum Viña del Mar oder in die Beachparty Hochburgen Renaca und Concón nehmen. Zwischendurch findest du aber immer wieder kleine Ortschaften mit weniger Trubel und schöne Strände.
Unmittelbar bei Concon findest du – die Sahara! Ok, nicht ganz, aber beeindruckend sind die meterhohen Sanddünen, die hier steil Richtung Meer abfallen, trotzdem. Von oben hast du eine fantastische Aussicht. Du willst Action? Dann leihe Dir ein Sandboard aus und stürze Dich kopfüber in die Dünen.
Wesentlich entspannter geht es in den idyllischen Küstenorte Maitencillo und Zapallar zu, die mit kilometerlangem feinem Sandstrand und relaxtem Surfer Flair aufwarten. Baden ist allerdings nur für hartgesottene, denn dank des Humboldtstroms hat die Wassertemperatur gerade mal 14 Grad. Brrrr…
2. Almendral
Die Gegend rund um den chilenischen Nationalkongress gehört zu den wuseligsten in Valparaiso. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich hier der Umschlagplatz für Waren, die vom Hafen in die Stadt kamen. Heute findet man hier Shoppingmalls, eine Vielzahl von Geschäften und Strassenhändler.
Ein Highlight des Bezirks ist der Mittwoch und Samstags stattfindende Strassenmarkt (Feria libre) auf der Avenida Argentina, wo eine große Auswahl von Obst und Gemüse, Gewürzen, Blumen, Backwaren und Haushaltsartikeln angeboten wird. Der Markt wird von den Einheimischen zusätzlich als Flohmarkt genutzt und so findet man hier ein Potpourri an Gegenständen aller Art.
Mercado El Cardonal, den größten Markt von Valparaiso, kannst du über vier verschiedene Eingänge (An den Strassen Brasil, Uruguay, Yungay und Rawson) betreten. Die Eisenkonstruktion stammt aus England und ist trotz zahlreicher Erdbeben noch im Originalzustand. Im zweiten Stock des Marktes findet man typisch chilenisches Essen. Vorsicht ist bei Einbruch der Dunkelheit geboten. Dann treiben sich in der Gegend einige schräge Gestalten rum.
Der beste Weg durch Almendral ist mit einem der 16 Trolebuses, die vom chilenischen Staat als besonders erhaltenswertes Kulturgut eingestuft wurden. Diese froschgrün angestrichenen Oberleitungsbusse fahren auf einer Strecke von 4,5 Km durch die Stadt und bieten mit ihrem 50er Jahre Flair eine nostalgische Art der Fortbewegung.
Weit oben auf dem Cerro Florida findest du eine der vielen Residenzen des berühmten Dichters und Schriftstellers Pablo Neruda (692 Hector Calvo) – La Sabastiana Museo de Pablo Neruda.Das 5 stöckige Haus beherbergt ein Museum vollgestopft mit Zeichnungen, Skulpturen und allerlei maritimen Fundstücken des sammelfreudigen Literatur Nobelpreisträgers.
3. Sector Centro
Das Sector Centro beheimatet die beiden bekanntesten Cerros von Valparaiso, Cerro Alegre und Cerro Concepcion. Scharen von Touristen quälen sich Tag für Tag die steilen Strassen und Treppen hinauf. Am Platz Anibal Pinto mit seinem Neptun Brunnen (Fuente del dios Neptuno, ein beliebter Trinkplatz der unzähligen Straßenhunde) beginnt der Aufstieg in die farbenfrohe Welt der zwei Hügel. Oben angekommen betrittst du die Atkinson Promenade mit tollem Blick über die Stadt und den davor liegenden Hafen.
Von hier aus wirst du ein überdimensionales Bild entdecken, das der chilenische Streetart Künstler Inti Castro über 2 Häüserblocks gemalt hat. Über die Landesgrenzen Chiles hinaus ist er bekannt für seine indigenen Darstellungen und hat bereits Hauswände in Paris, London und Beirut verziert. Seine Homebase ist jedoch nach wie vor Valparaiso, die er regelmäßig mit seinen Kunstwerken bereichert.
Ohne große Anstrengung auf die Hügel geht es mit dem Reina Victoria Aufzug, den du versteckt in einer winzigen Seitengasse der Calle Cumming findest.
Endstation ist die Dimalow Promenade, wo man die kolonialen Hinterlassenschaften der Deutschen und Briten bewundern kann. Weiter geht es auf der Calle Almirante Montt vorbei an zahlreichen Bars, Restaurants, Kunsthändlern und Gallerien.
In vielen davon wirst du auf die Bilder des französischen Malers Loro Cairón stoßen. Seine detallierten schwarz-weiß Zeichnungen zeigen alltägliche Szenen aus dem Leben seiner Lieblingsstadt, für die er Frankreich hinter sich gelassen hat. Seine Werke kannst du hier auch als Poster oder Postkarten kaufen. Lass dich treiben. An jeder Straßenecke findest du farbenprächtige Graffitis, politische Statements, Sticker und andere urbane Kunstwerke. Valparaiso hat eine große aktive Kunstszene, die die Stadt zu einer der größten Freiluftgalerien der Welt macht.
Wer jetzt den Akku seiner Kamera nicht aufgeladen hat, ist selbst schuld – Valparaiso ist DAS Street-Art Mekka in Südamerika.
Jeden Tag um 10 und 15 Uhr gibt es eine Free Walking Tour, bei der du in 3 Stunden eine Menge über die Stadt erfahren kannst. Halte einfach Ausschau nach den Guides in den roten T-Shirts. Die Tour startet am Brunnen auf der Plaza Anibal Pinto.
Unterhalb der beiden Hügel befindet sich die Feuerwache. Die Bomberos genannten Feuerwehrleute sind in Valparaiso wahre Helden und von unheimlicher Bedeutung für die Stadt, in der es durch Waldrodungen auf den Hügelspitzen immer wieder zu katastrophalen Feuern kommt. Neben den regelmäßigen Erdbeben ist das die größte Bedrohung für die eng bebaute Stadt.
Der größte Platz und das offizielle Zentrum von Valparaiso ist Plaza Sotomayor. Eingeschlossen vom imposanten Gerichtsgebäude stehen hier rundum die wichtigsten öffentlichen Gebäude und das nationale Kunstmuseum. In der Mitte des Platzes steht ein Denkmal, das die Soldaten der Schlacht von Iquique im Salpeterkrieg gegen Peru ehrt.
Keine Stadt wäre komplett ohne pulsierendes Nachtleben und in dieser Abteilung schneidet Valparaiso vor allem in diesem Viertel bis in die frühen Morgenstunden vorzüglich ab. Belebte Hafenkneipen, Kleinbrauereien, Weinbars, Musikveranstaltungen und Straßencafés gibt es hier zuhauf. Wer auf elektronische Musik steht, der sollte sich den Club TZ Mimi nicht entgehen lassen. Hier trifft sich Abends die Szene zum Tanzen zu rhythmischen Beats. (Calle Blanco #375)
4. Barrio Puerto
Die Gegend rund um den Hafen von Valparaiso ist gleichzeitig der älteste Stadtteil. Hier kamen 1536 die ersten Siedler ins Paradiestal. Das älteste Bauwerk der Stadt, die Iglesia La Matriz (Aufgrund von Erdbeben ist es mittlerweile die 4. Version der Kirche) findest du hier ebenso wie den ältesten Platz, Plaza Echaurren. Am Mercado Puerto, der einen gesamten Häuserblock einnimmt, lässt es sich an kleinen Essensständen prächtig schlemmen.
5. Playa Ancha
Scherzhaft „Republica independiente de Playa Ancha“ (unabhängige Republik von Playa Ancha) genannt, zählt dieser Teil der Stadt zu den vielfältigsten. Seine Historie wurde von den vielen hier ansässigen Einwanderern verschiedenster Nationen geprägt.
Eine Tour durch diesen Stadtteil startest du am besten beim Ascensor Artilleria. Dieser Aufzug ist eines der meist fotografierten Motive der Stadt. Zurecht, denn seine einmalige Lage direkt am Eingang der Stadt bietet Dir auf der Hügelstation einen imposanten Ausblick über die gesamte Bucht, den Hafen bis hinüber zu den Dünen von Concon.
Hier oben kann man dem Museo Naval y Maritimo einen Besuch abstatten. In 9 Ausstellungsräumen kannst du Waffen, Schiffsmodelle, Uniformen und viel über die Geschichte der Marine erfahren.
Ein wenig höher liegt das Fort Esmeralda. Diese Verteidigungsstellung wurde im Jahr 1866 nach den Angriffen der spanischen Marine aus Stein und Eisen errichtet.
Playa Ancha lädt förmlich zu einem Spaziergang an seiner vier Kilometer langen Küste ein. Sechs Aussichtsplattformen laden zum Verweilen ein. Hier kannst du mit etwas Glück auch Seelöwen beobachten. Weiter südlich trifft man auf traditionelle Fischrestaurants, die vor allem am Wochenende aus allen Nähten platzen.
In Playa Ancha findest du auch einen der beliebtesten Strände von Valparaiso am Balneario Las Torpederas. Der Name stammt von den Torpedobooten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts hier ins Wasser gelassen wurden. Hier steht auch der älteste Leuchtturm Chiles. Innen befindet sich ein kleines Museum, das sich mit dem schottischen Erbauer und der Geschichte des Leuchtturms auseinandersetzt.
Anreise nach Valparaiso
Nach Valparaiso gibt es regen Busverkehr von Santiago aus. Die Abfahrt erfolgt von der Busstation Pajaritos, die du leicht mit der Metro erreichen kannst. Die Fahrt kostet ca. 6 Euro und dauert 1,5 Stunden.
Unterkünfte in Valparaiso
In Valparaiso findest du zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten für jeden Geldbeutel. Ich habe die Stadt schon etwa 20 mal besucht und in einigen Hostels & Hotels übernachtet. Hier findest du meine Favoriten:
$ Casa Azul: Günstiges Backpacker Hostel in guter Lage und fußläufig zu allen Sehenswürdigkeiten. Perfekt für diejenigen, die gerne in Kontakt mit anderen Reisenden kommen wollen.
Casa Azul buchen$$ Winebox Hotel: Die coolste Unterkunft in Valpo ist mit Sicherheit das Winebox, wo du in alten Frachtcontainern untergebracht bist. Sehr modern und stylisch eingerichtet mit genialem Blick über die Hügel und den Hafen.
Winebox Hotel buchenUnd, hast du Lust auf diese coole Stadt bekommen? Dir fehlen noch mehr Infos zu Valparaiso? Dann hinterlasse mir gerne einen Kommentar
4 Kommentare
Hallo
Ich komme am 7.3.2017 in der Früh Santiago an, am 8.3 wollen wir am späten Vormittag nach Valparaiso fahren, da wir am 9.3 auf ein Schiff gehen.
Welche Tipps hättest du, um soviel wie möglich von beiden Städten zu sehen.
Was ich unbedint muß ist mal kurz ins Hard Rock Cafe um ein T-Shirt und einen Pin + den Visit zu holen.
Grüße Sandra
Hallo Sandra,
Über Santiago habe ich auch einen Post geschrieben, was man an einem Tag alles erleben kann. Muss sind Mercado Central, Cerro San Cristobal, Barrio Bellavista, Lastarria und Plaza de Armas mit seiner Kathedrale. Nach Valparaiso fahrt ihr dann einfach mit dem Bus (am besten von der Station Pajaritos – da kommt man mit der Metro super hin, Bus kostet etwa 7 Euro) In Valparaiso solltest du mit den Aufzügen (Ascensores) in die Hügel Cerro Alegre und Cerro Concepcion. Da kannst du dich wunderbar treiben lassen. Es gibt übrigens in Valparaiso auch eine Free Walking Tour, die am Plaza Anibal Pinto startet. Dort erfährt man viel über die Stadt & Ihre Geschichte. (http://www.freetourvalparaiso.cl/) Ganz viel Spass in Chile!!