Der Minibus ruckelt wie der Breakdancer auf der alljährlichen Dorfdisco. Wir sind etwa 50 Kilometer entfernt von Copiapo, einer Stadt im Norden Chiles am Rande der Atacama-Wüste. Die Landschaft hinter der verdreckten Scheibe wirkt surreal und lebensfeindlich. Rote, staubige Berge, ein ausgetrocknetes Flussbett und der aufgewirbelte Staub unserer Fahrzeuge.
Ich bin auf einer Tour zum Nevado Tres Cruces Nationalpark, eines der abgelegensten Schutzgebiete in Chile. Nicht viele Touristen und nur wenige Einheimische verirren sich hierher. Zu weit und abgelegen liegt der Park nahe der argentinischen Grenze in den Hochanden. Mit Ausnahme einiger CONAF-Refugien gibt es keine touristische Infrastruktur im Park. Die Straße, die dem Park am nächsten liegt, ist die internationale Straße nach Argentinien, aber sie ist auf einem Großteil ihrer Länge in bedauernswertem Zustand. Es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel und, abgesehen von schwer beladenen Minenfahrzeugen, wenig Verkehr. Ohne Allrad-Fahrzeug kommt man auf diesen Straßen nur schwer voran.
Abgeschieden von der Außenwelt
Im Parque Nacional Nevado de Tres Cruces ist es möglich, sich vom Rest der Menschheit zu isolieren – und von fast jedem anderen Lebewesen – mit wenigen Ausnahmen. Einer der Gründe, warum ich den Park besuchen wollte, sind die Lagunen Santa Rosa und Verde, die ich bislang nur von beeindruckenden Bildern kannte.
Ich mache die Tour mit der Agentur Geo Adventures aus Copiapo, einen der wenigen Anbieter für diese Region. Mit zwei Fahrzeugen, 12 anderen Reisenden und drei Guides dringen wir tiefer in die unwirkliche Landschaft des Nationalparks vor. Unser erster Stopp ist an einem ausgetrockneten Flussbett. Hier befinden sich Hunderte von Fossilien. Nachdem wir die Steine ausgiebig inspiziert haben, machen wir einen weiteren Stopp an einem kleinen Feuchtgebiet mitten im Nirgendwo. Hier grasen einige Pferde, von den Besitzern jedoch keine Spur.
Auf den Serpentinen geht es immer höher. Die 4000 Meter Marke ist geknackt und die Aussichten werden immer spektakulärer. Die Wolken hängen tief über unseren Köpfen und die Landschaft buhlt hinter jeder Kurve nach uneingeschränkter Aufmerksamkeit. Sandfarbene Hügel werden vom Blau des Himmels geküsst und die weißen Spitzen der Anden glitzern am Horizont in der hochstehenden Sonne.
Einige von uns haben bereits mit der Höhe zu kämpfen. Genau aus diesem Grund haben wir ein Begleitfahrzeug der Agentur dabei. Falls einem schlecht wird, wird er schleunigst zurück ins Tal gefahren.
Die Gipfel des schroffen Tres Cruces begleiten uns auf unserem Weg durch die rötlich-braune Landschaft. Das Massiv hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von acht bis zwölf Kilometern und besteht aus drei Hauptgipfeln: dem Südgipfel (spanisch Cumbre Sur oder Cerro Tres Cruces Sur) mit einer Höhe von 6749 Metern, dem mittleren Gipfel (Cumbre Central) mit 6629 Metern und dem Nordgipfel (Cumbre Norte) mit 6008 Metern.
Laguna Santa Rosa – Ein Farbentraum auf 3750 Metern
Wolkenverhangen thronen die schneebedeckten Berge über einer großen, einsam gelegene Lagune auf 3780 Metern über dem Meeresspiegel. Die Laguna Santa Rosa ist erreicht. Mutter Erde hat uns hier so ein schönes Geschenk gemacht, dass ich minutenlang am Rand der Lagune in die Ferne starre und die ein oder andere Träne wegdrücke. Die Schönheit hier oben ist nur schwer in Worte zu fassen. Daher lasse ich an dieser Stelle lieber die Bilder sprechen.
Drei Flamingo-Arten bewohnen den Hochgebirgssee. Doch die rosa Langbeiner haben heute keine Lust, sich zu präsentieren. Mit ein wenig Glück kann man hier auch die Lama-Arten Guanakos und Vicunas zu Gesicht bekommen. Doch auch die Verwandten der Kamele sind wie vom Erdboden verschluckt.
Von der Lagune aus ist es für Bergsteiger möglich, zu einer Expedition zum Vulkan Ojos del Salado aufzubrechen – dem höchsten Vulkan der Welt mit 6893 Metern. Für uns reicht diese Höhe erstmal. Auf ihrer Nordseite schließt an die Laguna Santa Rosa direkt der Salar de Maricunga an – der südlichste Salzsee Chiles. Dieser besteht aus kleinen blauen Lagunen und wunderschönen Seen. Das Klima ist trocken und kalt, so dass man mit angemessener Outdoor-Kleidung ausgestattet sein sollte.
Laguna Verde
Wir lassen diesen Sektor hinter uns und fahren 20 Kilometer auf der Strasse CH-31 weiter. Mittlerweile hängen dicke schwarze Wolken über uns und es beginnt zu regnen. Wir erreichen die Laguna Verde – ein normalerweise herrlicher Ort, der mir verregnet, kalt und unwirklich in Erinnerung bleibt. Graue Nebelschwaden liegen dicht über der kaum sichtbaren Lagune und der Copaipo Vulkan lässt sich im Hintergrund nur erahnen. Der stetige Regen und der eisige Wind machen den Aufenthalt hier oben zu einer echten Geduldsprobe. Wir wärmen uns mit Tee und einige Mutige von uns steigen in die geothermischen Becken vulkanischen Ursprungs.
Abschließend machen wir uns auf den Rückweg Richtung Copaipo. 4 Stunden geht es wieder hinab durch die bizarre Steinlandschaft, diese Natur der Extreme in einem lebensfeindlichen Umfeld. Und gleichzeitig so schön und faszinierend.
Wenn du im Norden von Chile unterwegs bist, solltest du nicht nur die Atacama Wüste auf dem Radar haben. Auch abseits gibt es viel zu entdecken wie den wunderbaren Nevado Tres Cruces Nationalpark.
Informationen zum Nevado Tres Cruces Nationalpark
- Der Nevado Tres Cruces Nationalpark liegt liegt in der Region Atacama in Chile, ca. 120 Kilometer entfernt von Copiapó nahe der Grenze zu Argentinien.
- Für eine Tour in den Nevado Tres Cruces Nationalpark benötigst du entweder einen Mietwagen mit Allradantrieb oder du besuchst ihn im Rahmen einer Tour. Ich kann dir den Anbieter Geo Adventures wärmstens empfehlen. Bedenke allerdings, dass du eine ganze Weile im Auto sitzen wirst, da die Entfernungen sehr weit sind.
- Ausgangspunkt ist Copiapó. Die Stadt liegt 800 km nördlich von Santiago im Copiapó-Tal. Du erreichst die Stadt am besten mit dem Bus von La Serena aus (Fahrtdauer ca. 4 Stunden). Tickets kannst du online bei Recorrido kaufen.
- Ein hübsches & günstiges Hotel in Copiapó ist das Molzano Hotel.