Ich muss zugeben, dass Uruguay mich anfangs von allen südamerikanischen Ländern am wenigsten reizte. Keine sonderlich spektakuläre Landschaft, zu europäisch, unaufgeregt.
Doch meine chilenischen Freunde und ich sind nach Montevideo zu einem Musik-Event eingeladen. Also los. Vorurteile und gefährliches Halbwissen sind außerdem dumm. Frühmorgens hebt unser Flieger aus Santiago Richtung Uruguay ab. Ich weiß so gut wie nichts über die Stadt am gegenüber liegenden Ufer der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Das sollte sich zum Glück bald ändern.
Es ist so angenehm anders als sein Pendant auf der anderen Seite des Rio de la Plata. Buenos Aires hat dickere Eier, will klotzen, ist quasi der Cristiano Ronaldo unter den Städten Südamerikas – machohaft, laut, immer im Rampenlicht. Montevideo mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern hingegen ist überschaubar, unscheinbar & entspannt. Blüht auf im großen Schatten der Diva von der anderen Seite. Es ist kaum zu glauben, dass ich mich in einer südamerikanischen Großstadt befinde.
Lässiges Montevideo
Als Erstes fällt mir die Lässigkeit der Uruguayos auf. Unaufgeregt gehen Sie Ihrem Tagesgeschäft nach, obligatorisch die Thermosflasche mit dem heißen Wasser für den heiß geliebten Mate Tee unter dem Arm. Zuerst lande ich am Strand. Die La Rambla genannte Promenade entlang des Río de la Plata ist wichtiger Bestandteil des sozialen Lebens in Uruguays Hauptstadt Montevideo.
Es herrscht eine lockere und friedliche Atmosphäre. In diesen Augenblicken sehe ich vor meinem inneren Auge deutsche Großstädte und mag den Vergleich eigentlich gar nicht anstellen. Die einzige Frage, die in meinem Kopf herum schwirrt: Warum kann es bei uns nicht auch so zugehen.
Menschen unterhalten sich angeregt – natürlich Mate trinkend – auf der dem Strand vorgelagerten Steinmauer, Mädchen spielen lautstark und sichtlich motiviert Beach-Volleyball, während nebenan kleine Kinder Sandburgen erbauen. Coole Stadt. Und grün. Viele der Straßen sind mit Bäumen gesäumte Alleen, die auch bei hochstehender Sonne angenehm schattig sind.
Kein Wunder, dass sie Studien zufolge die beste Lebensqualität aller lateinamerikanischen Großstädte bietet. Der bekannte argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges schrieb einst über Montevideo:
„Du bist das Buenos Aires, das wir einmal hatten und das sich mit den Jahren leise davongemacht hat“.
Cerro de Montevideo – am Hausberg der Stadt
Meine uruguayischen Freunde raten mir, unbedingt die untergehende Sonne am „Cerro de Montevideo“ zu genießen. Diese Sehenswürdigkeit befindet sich unmittelbar am westlichen Ende der Promenade. Gerne. Jeweils mit 2 Bier bewaffnet erreichen wir den – wahnsinnige – 130 Meter hohen Hügel ohne größere Anstrengung.
Gefühlt halb Montevideo scheint diesem Schauspiel beiwohnen zu wollen. Andächtig sitzen wir neben turtelnden Pärchen im Gras und genießen den umschweifenden Ausblick auf die Bucht und den gelb-rötlich schimmernden Himmelskörper, der langsam nach und nach im Atlantik versinkt.
Der portugiesische Entdecker Magellan soll kurz nach seiner Ankunft, als er den Blick über den Rio de la Plata schweifen ließ, folgenden Ausdruck getan haben: „Mont e vido eu!“ (port.: „Ich sehe einen Berg“). Der Legende nach soll so der Name der heutigen Metropole entstanden sein.
Candombe – ein Stück Afrika in Montevideo
Am nächsten Tag streife ich durch die Strassen der Stadt und vernehme laute Trommelgeräusche. In Montevideo erklingen auch heute noch an jedem Samstagnachmittag die Trommeln des Candombe. Dieser 130 Jahre alte, von afrikanischen Sklaven entwickelte Folklore-Tanz soll den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken.
Ein eindrucksvoller Anblick. Drei Reihen von Trommlern spielen einen ekstatischen Rhythmus. Davor und dahinter zucken hunderte Körper im Takt. Dieser wird von drei Trommeln vorgegeben: piano, chico und repique. Beim Candombe stellen die Tänzer verschiedene traditionelle Figuren dar, beispielsweise den Medizinmann (gramillero), die alte Mutter (mama vieja) und den Besenschwinger (escobero).
Ich genieße das Schauspiel und werde prompt von einer Gruppe Mädels zum tanzen animiert. Lieber nicht – meine tänzerischen Fähigkeiten beschränken sich auf Pogo bei Punk Konzerten. Und selbst das ist bereits Jahre her.
Plaza Independencia – Das Herz Montevideos
Der größte Platz in der Innenstadt und eine der eindrucksvollsten Montevideo Sehenswürdigkeiten erinnert an den Unabhängigkeitshelden José Artigas mit einer 17 Meter hohen, 30 Tonnen schweren Statue und dem unterirdischen Mausoleo de Artigas, wo eine Ehrengarde rund um die Uhr über die Überreste von Artigas wacht.
Andere bemerkenswerte Bauwerke, die den Platz umgeben, sind das steinerne Tor Puerta de la Ciudadela, ein einsames Überbleibsel der 1833 abgerissenen kolonialen Zitadelle. In Sichtweite steht der Palacio Estévez aus dem 19. Jahrhundert und das 26-stöckige Palacio Salvo, das Wahrzeichen der Stadt. Als es 1927 eröffnet wurde, war es das höchste Gebäude des Kontinents.
Ciudad Vieja – Die Altstadt von Montevideo
Weiter Richtung Ciudad Vieja, die Altstadt. Sie beginnt unmittelbar an der Plaza Independencia. Es ist der älteste Teil von Montevideo und eines der beliebtesten Touristenziele. Es ist nicht schwer zu verstehen warum. Obwohl das Viertel klein und sich gerade mal in ein Gebiet von 8 x 14 Häuserblocks verteilt, besitzt Ciudad Vieja besonderen Charme. Die Fußgängerzone ist voll mit Besuchern, Straßenhändlern und Straßenmusikanten.
Die Atmosphäre ist lebendig, aber behält die einer ruhigen, entspannten Kleinstadt. Eine Perle voller Bauwerke kolonialen Ursprungs, Plätzen (Matriz und Zabala), der weitläufigen Fußgängerzone in der Calle Sarandí mit ihren trendigen Straßencafés und schicken Boutiquen. Hier findet man auch das Zentrum nächtlichen Treibens, die Calle Bartolomé Mitre. Und es gibt eine Menge Street-Art – i love it.
Uruguay litt Anfang der 2000er Jahre unter einer schweren Finanzkrise, was in der größten Bankenkatastrophe in der Geschichte des Landes gipfelte. Viele Menschen ließen Ciudad Vieja praktisch im Stich. „Wenn du mir vor 10 Jahren gesagt hättest, dass Touristen nach Ciudad Vieja kommen, hätte ich es nie geglaubt“ erzählt mir mein Bekannter Mario. „Heute ist es einer meiner Lieblingsorte in Montevideo.“ Ich stimme zu. Egal, wie oft ich durch die Straßen gehe, ich bin fasziniert vom Charme der alten Gebäude mit ihren reich verzierten architektonischen Details.
Mercado del Puerto – Schlemmen wie Gott in Montevideo
Der Hunger treibt uns zum altehrwürdigen Mercado del Puerto am Rande des Viertels Pérez Castellanos. Die gusseiserne Konstruktion wurde aus dem fernen Liverpool hierher verfrachtet. Es ist ein geschäftiger Ort mit vielen frischen Köstlichkeiten. Mit dem Meer direkt vor der Haustür hat Montevideo eine lebendige Fischereiindustrie und alles kommt direkt fangfrisch zum Mercado del Puerto.
Es gibt eine Reihe von guten Restaurants mit riesiger Auswahl an Fisch und Meeresfrüchten – und natürlich Fleisch. Meterlange Grills mit monströsen Fleischbergen warten auf den hungrigen Mix aus Touristen, Hafenarbeitern und Businessleuten. In Punkto Fleisch stehen die Uruguayos den Argentiniern in nichts nach.
Abends kehren wir in der La Choperia ein, einer angesagten Craft-Bier Bar. Cooles Ding. Hier wird Mastra, ein lokales Craft Bier ausgeschenkt. Sehr zum Leidwesen meiner Turmbau Künste beim Jenga spielen in dieser Nacht. Salud!
Feria Tristan Narvaja – der größte Flohmarkt Uruguays
Sonntag. Der Schädel brummt von zu viel Golden Ale. Egal, Sonnenbrille auf – heute ist Flohmarkt angesagt. Die Feria Tristan Narvaja findet auf der gleichnamigen Strasse und Ihren Nebengassen statt. Er erstreckt sich über mehrere Blocks und ist der größte Freiluftmarkt des Landes.
Ein ganz eigenes Universum. Obst und Gemüsehändler schreien Ihre besten Angebote heraus, exotische Vögel zwitschern hier nicht von den Bäumen, sondern aus den in mehreren Schichten gestapelten Käfigen. Hundewelpen warten in Pappkartons ungeduldig auf neue Besitzer. Herden von Touristen und Einheimischen schleichen um die vollbepackten Stände mit Antiquitäten, Schallplatten und Büchern.
Gefälschte Luxusartikel liegen zwischen Motörhead T-Shirts. Autoreifen mit wenig Profil neben klassischen Kofferradios. Es duftet nach Kräutern und den tropfenden Fleischspießen der Strassengrills.
Während ich mich mühsam Meter um Meter durch die vollen Reihen bewege, höre ich leise von der nächsten Ecke einladende Gitarrenmusik. Ein brasilianischer Straßenmusiker gibt hier Nirvana, Radiohead und Konsorten zum Besten. Und er ist richtig gut. Felipe kommt aus Sao Paulo und strahlt mit seinem breiten Grinsen und dunklen Rastas eine unheimliche Lebensfreude aus. Wenn er nicht gerade singt. Dann zupft er gefühlvoll die Saiten seiner Gitarre, schließt die Augen und man hört den leisen Schmerz in seiner Stimme.
Die Kindheit in den Slums von Sao Paulo, den Tod seines Bruders und die Flucht in eine hoffentlich bessere Zukunft. Jeden Sonntag steht er hier. Dank der vielen Touristen verdient er gar nicht schlecht, meint er. Fast eine Stunde hören wir ihm zu, reden in den Pausen über sein bewegtes Leben und lachen über die Kinder, die amateurhaft versuchen, die Münzen aus seinem Strohhut zu klauen.
Espacio de Arte Contemporáneo – Kunst im Gefängnis
Wir ziehen weiter ins EAC, kurz für Espacio . Das 2010 eröffnete Museum für moderne Kunst befindet sich skurrilerweise in einem ehemaligen Gefängnis. Das mächtige Gebäude nimmt einen ganzen Häuserblock zwischen den Vierteln Cordón und Aguada ein. In den Zellen von einst sind nun moderne Kunstwerke uruguayischer und internationaler Künstler untergebracht. Zu sehen gibt es ständig wechselnde Ausstellungen und Installationen. Es lohnt sich.
Parque Rodo – grüner Ruhepol Montevideos
Der Abend bricht ein und nach einem langen Tag sitzen wir im Parque Rodó. Voll mit mächtigen Palmen, Eukalyptus- und dem einheimischen Ombú Bäumen ist er im Stile französischer Stadtparks angelegt. Mit Seen, Brunnen, einem Freilichttheater und einer permanenten Kirmes ist er an lauen Sommerabenden wie diesem ein Hotspot. Ein guter Ort, um die Seele baumeln zu lassen und die Eindrücke dieser schönen Stadt auf mich wirken zu lassen.
Wie heißt es so schön in einem Gedicht von Roberto Bianco:
Gracias mi Montevideo. Por el sol de mi ciudad.
Anreise nach Montevideo
Carrasco International Airport ist der internationale Flughafen von Montevideo mit Verbindungen von und nach Madrid (Iberia) und Amsterdam (KLM). Der Flughafen befindet sich etwa 15 km außerhalb des Zentrums und ist mit Bussen & Taxis gut erreichbar. Alternativ kann man von Deutschland aus nach Buenos Aires und dann mit der Fähre von Buquebus (2 Std.) und Bus über Colonia del Sacramento nach Montevideo fahren.
Mit dem Bus vom Flughafen nach Montevideo
Der Bus ist die günstigste Variante, um in die Innenstadt zu gelangen. Wenn man jedoch mit viel Gepäck fährt, empfehle ich das nicht, da die Busse manchmal sehr voll sind und in der Regel keine Gepäckablage haben.
Es gibt drei Busunternehmen, die die Fahrt vom Flughafen Carrasco in die Innenstadt von Montevideo durchführen:
- Copsa
- Cutcsa
- COT
Die Stadtbusse der Unternehmen Copsa und Cutcsa haben mehrere Linien, die am Flughafen halten und zum Zentrum, zum Terminal Rio Branco (in der Nähe von Ciudad Vieja) fahren. Die Fahrt dauert etwa eine Stunde, obwohl sie stark vom Verkehrsaufkommen abhängt. Das Copsa-Ticket kostet 196 uruguayische Pesos (ca. 5 €) und das Cutcsa-Ticket 65 Pesos (ca. 1,65 €). Es wird in bar direkt beim Busfahrer bezahlt.
Diese Busse fahren 24 Stunden am Tag. Die Frequenz der Busse liegt zwischen 6 und 23 Uhr tagsüber zwischen 10 und 15 Minuten. Zwischen 23.30 Uhr und 5.30 Uhr verkehren sie alle 30 oder 35 Minuten. Hier kannst du den Fahrplan von Copsa (Linien 700, 703, 704, 710 und 711) einsehen. Für den Fahrplan von Cutcsa der Linien C1, C3 und C5 musst du deren App im Play Store oder Apple Store runterladen.
Unterkünfte in Montevideo
$ MedioMundo Hostel: Tolle Lage direkt am Parque Rodo, nur 5 Minuten vom Strand und dem sensationellen Sonnenuntergang entfernt. Sehr schön eingerichtetes Hostel, leckeres Frühstück mit selbst gemachtem Brot und Kuchen, Fahrradverleih – perfekt zum Erkunden der Stadt. Dorm ab 14 €, DZ ab 40€
$$ Fauna Montevideo: Wunderschön und stilvoll eingerichtetes Boutique Hotel in der Altstadt von Montevideo. Besitzer Jeronimo gibt dir klasse Tipps für die Erkundung der Stadt.
Fauna Montevideo buchen*Essen und Trinken in Montevideo
- La Choperia (2650 21 de Septiembre) coole Bar mit regionalem Craftbeer.
- La Petite Cuisine (Alzaibar 1316) kleines französisches Restaurant mit exzellenter Küche
- Wasa Etnik Food (Zabala 1341) gutes organisches Essen & die besten Smoothies der Stadt
- Brio (Tomas Diago 796) leckere Quiches & Sandwiches
Welche Montevideo Sehenswürdigkeiten kannst du empfehlen? Schreib es gerne in die Kommentare.
2 Kommentare
Mercado Agricola und dann das „Judenviertel“, quasi direkt hinter dem Palacio Legislativo, zum Ausgehen Cordón – eher studentisch geprägt, wer es internationaler will Punta Carretas oder Pocitos (da ist auch der Strand recht schick), ein bisschen ruhiger die Michigan in Malvín, der Strand dort ist meiner Ansicht nach der schönste von Montevideo, aber da bin ich ein bisschen voreingenommen, weil ich da wohne 😉
Zudem zu empfehlen sind Tagesausflüge zu Bodegas oder zum Reiten im Umland. Vorsicht übrigens am Cerro, da ist es nicht ganz ungefährlich!
Teatro Solís oder Sodre für Kulturbeflissene. Estadio Centenario für Fußballfans, erste WM der Weltgeschichte 1930. Milongas für Tanzfans. Tages- oder Wochenendausflug nach Colonia. Ach, es gibt so vieles mehr … 😎
Danke für die vielen Tipps, Stefan! Ich habe eher die touristischen Pfade genommen 😉