Es gibt Städte, die sich anfühlen wie ein Flüstern aus einer anderen Epoche, Orte, an denen die Vergangenheit noch immer in den gepflasterten Gassen und von Efeu überwucherten Mauern lebt. Colonia del Sacramento, ein kleines Juwel am Río de la Plata in Uruguay, ist so ein Ort. Eine Stadt, deren Geschichte aus Piratengeschichten, kolonialen Rivalitäten und melancholischen Sonnenuntergängen gewoben ist.
Die älteste Stadt Uruguays hat eine bewegte und blutige Vergangenheit. Krieg, Schmuggel und Sklaverei prägten die strategisch wichtige Stadt am Rio de la Plata. Die Wunden sind längst verheilt und heute findet man eine Oase der Ruhe mit einer malerischen kolonialen Altstadt.
Über das Kopfsteinpflaster trippeln die Ausflügler aus dem großen Buenos Aires, das gerade mal eine Stunde Bootfahrt von Colonia entfernt ist. Im südamerikanischen Sommer ist dieser geschichtsträchtige Ort voller Kurzzeitbesucher. Rein ins Boot – einmal durch Colonia del Sacramento – rauf aufs Boot ist hier eine gängige Tagesroutine. Ebenso beliebt ist es bei in Buenos Aires weilenden Ausländern, die so ihr 90 Tages Visum aufbessern.
Ich komme mir schon komisch vor, nicht aus der argentinischen Hauptstadt, sondern mit dem Bus von Montevideo angereist zu sein. Ich bin hier die Minderheit. Schade, dass Uruguay für viele nur ein Tagesausflug bedeutet, da das Land noch wesentlich mehr zu bieten hat. Colonia ist jedoch das perfekte Aushängeschild des kleinen, stolzen Landes.
Entspannte Vibes in Colonia del Sacramento
Der Lärm der Großstadt in weiter Ferne, vereinzelt planschen Kinder in den Wassern des Rio de la Plata, nur selten knattert ein Mofa vorbei. Stattdessen klirren die Gläser in den zahlreichen kleinen Restaurants in den engen Gässchen. Die Kolonialbauten sind in sanftes Licht getaucht. Platanen und der rot blühende Ceibo Baum säumen die Straßen und den Plaza Mayor, den Hauptplatz. Der Duft von Holzfeuer für das allabendliche Asado (Grillen) hängt in der Luft und legt sich über die Straßen wie ein warmer Mantel.
An der Promenade sitzen ein paar argentinische Hippies und verkaufen selbstgeknüpfte Armbänder und Mate Becher. Ein Joint kreist. Marijuana Konsum ist seit einigen Jahren legal in Uruguay. Einige Angler sitzen am Holzsteg am Hafen und versuchen ihr Glück auf einen großen Fang. Hinter ihnen glitzert das Wasser des Rio de la Plata, das die Küste umspült.
Museo Portugés de Colonia
An dieser Küste landeten 1680 die Portugiesen und gründeten Colonia del Sacramento. An diesem strategisch wichtigen Punkt der Halbinsel stehen noch heute Teile der von ihnen errichteten Festungsmauern. Im alten, massiven Stadttor findet man ihr Wappenschild, die Steinhäuser darauf erinnern an Bergdörfer im portugiesischen Hinterland.
Im kleinen Museum, dem Museo Portugués de Colonia del Sacramento, sind Relikte aus der Besatzungszeit ausgestellt. Darunter auch Schwerter, Gewehre und die Bajonette, mit denen die Kolonialisten Eindringlinge bekämpften. Die Gefangenen wurden einst durch die berühmte Calle de los Suspiros – die „Straße der Seufzer“ getrieben.
Ihre unregelmäßig gepflasterten Steine erzählen Geschichten von Schmugglern, Seeleuten und Liebenden. Der Name – Straße der Seufzer – soll aus einer Zeit stammen, als hier die Verurteilten auf dem Weg zur Hinrichtung ein letztes Mal den salzigen Atem des Río de la Plata spürten. Andere behaupten, es seien die sehnsüchtigen Seufzer verliebter Paare, die diesen Ort so benannt haben.
Bei Sonnenuntergang wird die Calle de los Suspiros zum perfekten Fotomotiv – in ein warmes sanftes Licht getaucht, das die pastellfarbenen Fassaden perfekt unterstreicht.
Colonia del Sacramento – Der Kampf zwischen Portugal gegen Spanien
Seit der Gründung von Colonia stritten sich Portugiesen und Spanier immer wieder um die Vorherrschaft der Stadt. Wenn eine Seite gewann, ließ man die Feinde grausam hinrichten. An den Steinmauern vorbei sollen die Verurteilten durch die Calle de los Suspiros zum Fluss getrieben worden sein. Noch heute stehen hier die ältesten Häuser Colonias, teilweise noch aus dem 17. Jahrhundert. Lila blühende Bougainvillea ranken sich vor den Mauern, die rote oder gelbe Farbe verbleicht nach und nach.
1777, nach vielen weiteren Kriegen, eroberten die Spanier Colonia del Sacramento vollständig. Die Zeugnisse iberischer Baukunst sind überall sichtbar. Flache Dächer (a la porteña), hohe Fenster, aufwendig geschwungene Stuckverzierungen im neoklassischen Stil. Das Barrio Historico – die Altstadt – ist ein architektonischer Augenschmaus der zwei damaligen Weltmächte aus verschiedenen Epochen. Nicht verwunderlich, dass die Unesco sie 1995 zum Weltkulturerbe ernannt hat.
Colonia del Sacramento – Stadt der Oldtimer
Zahlreiche Oldtimer machen das historische Szenario perfekt und erinnern mich teilweise an Bilder aus Kuba. Zahlreiche Oldtimer machen das historische Szenario perfekt und erinnern mich teilweise an Bilder aus Kuba. Rostrote Chevrolets und türkisfarbene Fords, die mit abgeblättertem Lack und polierten Chromstoßstangen wie Zeitmaschinen wirken, parken hier an jeder Ecke. Manche sind von wildem Efeu überwuchert, andere blitzen frisch gewaschen in der Sonne. Einige von Ihnen dienen mittlerweile als Blumenkübel, aber eins eint sie alle – sie sind ein tolles Fotomotiv.
Ich besteige den alten, 34 Meter hohen Leuchtturm. Von oben hat man einen tollen 360 Grad-Panoramablick über die grüne, palmenreiche Stadt und den Rio de la Plata. Besonders romantisch ist es hier oben zum Sonnenuntergang, wenn alles in ein gelblich – rotes Licht getaucht ist.
Colonia strahlt eine besondere Ruhe und Gelassenheit aus. Nichts scheint die Menschen hier aus der Ruhe zu bringen. Ich lasse mich treiben durch die adretten Gässchen, durchschreite das steinerne Stadttor, das Puerta de la Ciudadela, am Eingang der Altstadt, esse leckere Eiscreme, statte dem Yachthafen Muelle del Puerto de Yates einen Besuch ab und genieße von den Holzstegen den Blick auf den endlos scheinenden Rio de la Plata und die vorbeiziehenden Boote.
Einen Tag in Colonia krönt man am besten mit einem gutem Essen in einem der zahlreichen Restaurants. Viele sind liebevoll dekoriert und besitzen einen ganz eigenen Charme. Colonia Style eben!
Meine persönlichen Colonia del Sacramento Tipps
- Galeria de los Suspiros: Colonia del Sacramento ist auch bekannt für seine Fülle an individuellem Kunsthandwerk. Massenware ist hier Fehlanzeige. Dieses kleine Hotel besitzt einen Shop, der schon eher einem Museum ähnelt. Hier kann man den Lieben zuhause ein schönes Geschenk mitbringen.
- Plaza Mayor: Setz dich in eines der kleinen, charmanten Cafés am Plaza Mayor, bestell dir ein Glas Tannat – Uruguays kräftiger Rotwein – und beobachte das bunte Treiben. Hier lässt sich die entspannte Atmosphäre der Stadt besonders gut genießen.
- Basilica De Santisimo Sacramento: Die älteste Kirche von Uruguay wurde bereits 1682 im römisch katholischen Stil erbaut und ist heute das Wahrzeichen der Altstadt.
- 1717 Foto & Café: Tolles kleines Café mit Fotoausstellungen verschiedener Künstler. Sehr leckerer Kuchen.
- Lentas Maravillas: Ein hübsches, detailverliebtes Restaurant, dass sich von den vielen Touristenrestaurants abhebt. Im ruhigen Garten mit Blick auf den Hafen kann man die Seele baumeln lassen. Es gibt eine kleine Bücherei, köstliche Sandwiches und Salate.
- Rambla de las Americas: Diese Uferpromenade ist perfekt für einen Spaziergang entlang des Rio de la Plata. Besonders schön zum Sonnenauf- oder untergang. An einigen Stellen kannst du im Fluss schwimmen.
- Helados Artesanal El Cali: Kein Colonia Besuch ohne ein Eis von dieser Eisdiele. Köstliches, hausgemachtes Eis schräg gegenüber des Stadttors.
- Moscato Cafe: Hübsches Café und der einzige Ort für traditionellen Mate Tee in Colonia. Hier kannst du auch ein Mate Kit für 150UYU = 5 € ausleihen und dich wie ein echter Uruguayo fühlen. Es enthält einen Beutel Mate, eine Thermoskanne heißes Wasser, einen Becher und den Bombilla, den typischen Mate Löffel.
Anreise nach Colonia del Sacramento
Mit der Fähre (Buquebus) gehts von Buenos Aires nach Colonia del Sacramento. Die schnellste Fährverbindung dauert ca. 1 Stunde und kostet hin und zurück ca. 80 €.
Mit dem Bus von Montevideo nach Colonia del Sacramento: Die Busse starten vom Tres Cruces Terminal. Die Fahrt dauert ca. 2,5 Stunden und kostet ca. 350 UYU Pesos = 11,50 €
Unterkünfte in Colonia del Sacramento
$ Celestino Hostel
entspanntes Hostel für preisbewußte Reisende mit familiärer Atmosphäre im Herzen von Colonia.
Dorm ab 11€, DZ ab 25€
$$ Don Antonio Posada
Stilvoll eingerichtetes Hotel mit hohem Wohlfühlcharakter, Pool und guter Lage.
DZ ab 65€
Du siehst, Colonia del Sacramento ist ein wahres Kleinod unter des Städten Südamerikas. Wann kommst du nach Uruguay?
5 Kommentare
Hoffentlich kann man bald wieder nach Uruguay einreisen. Es ist ein so wunderbares Land mit sympathischen Bewohnern. Könnte gleich morgen wieder dorthin.
Hallo Suzanna, das hoffe ich auch sehr!
Es ist der Ort, an dem ich bleiben möchte!
War bereits 4 Mal dort. Hübsch dargestellt von dir
ich hab mich soeben verliebt! Wunderschöner Teil dieser Erde. Kannte Colonia de Sacramenta gar nicht obwohl Uruguay nicht so unbekannt ist. Außerdem musste ich zweimal rauf und runterscrollen weil mich mir dachte, das Autofoto wäre in Cuba aufgenommen worden 🙂 Werd ich mal hinreisen. Vielen Dank für den Tipp
Hallo Werner, das freut mich immer sehr, wenn ich Menschen einen Ort näherbringen kann. Und Colonia ist wirklich ein besonderer. Viel Spass beim planen deiner Reise!