Ich bin verliebt in eine Stadt. Valparaiso. Rau, mit all seinen Ecken und Kanten liegt die Hafenstadt an der Küste des oft wild tosenden Pazifiks auf 45 Hügeln, den Cerros. Hügeln, die vollgepackt sind mit unglaublichen Geschichten und Legenden.
Valparaiso war bis zur Öffnung des Panamakanals der größte Seehafen in ganz Südamerika und ein Schmelztiegel verschiedenster Menschen und Kulturen. Alle waren sie da – die Spanier, Portugiesen, Engländer und die Italiener. Ein Catwalk der großen Seefahrer Nationen. Und alle haben sie Ihre Spuren in Valparaiso hinterlassen. In Form von Bauwerken, Denkmälern und in Form von Geschichten. Geschichten aus der Stadt mit dem „verrückten Hafen“, wie Pablo Neruda es einst in seiner Ode an Valparaiso formulierte:
„Du bist ein Regenbogen vielfältiger Farben, Valparaiso, du großer verrückter Hafen…“
In Valparaiso, dieser umtriebigen Stadt, die sie, wie mich auch, alle magisch angezogen hat. Zum Handeln. Zum Trinken. Zum Erzählen. Zum Lieben, lachen und weinen. Sehmannsgarn & maritime Geschichten, die in einer Eigendynamik aus Klatsch & Tratsch, Alkohol, Sehnsucht, Einsamkeit und Heimweh entstanden sind. Und zu einem großen Teil aus Inspiration – dem Ort geschuldet, die sie auf ihrem Landgang vorfanden. Valparaiso ist eine Stadt voll mit Mythen, Fabelwesen und Legenden.
Die Geschichten der Dominguera
An der Plaza el Descanso am steilen Anstieg des Cerro Alegre scheint die Sonne durch die umstehenden Bäume. Auf den mit bunt glitzernden Glassteinen verzierten Treppen sitzen einige Dutzend Chilenen und einzelne Touristen im Halbkreis und lauschen den Worten der Geschichtenerzähler, die sich hier jeden Sonntag zur „Dominguera“ (von ,domingo‘ = Sonntag) einfinden. Bei dem wöchentlich stattfindenden Treffen kann jeder, egal ob jung oder alt, unter freiem Himmel seine Geschichten zum Besten geben – ob ernst, komisch, sentimental oder magisch.
Und ja, es gibt viele legendäre Charakter und aufregende Geschichten in Valparaiso, von denen sich heute noch die Menschen erzählen. Ob erfunden oder wahr – das weiß keiner so ganz genau.
Wie die Erzählungen über den Choro del Puerto, einem furchteinflößenden, muskelbepackten Kerl, über 2 Meter groß, blitzschnell mit seinen Fäusten, der nie einen Kampf verloren hat. Ein echter Trunkenbold und Frauenheld, der durch die zwielichtigen Bars am Hafen zog und der nur mit einem geschlossenen Auge schlief, so die Legende.
Eine andere Legende besagt, das es in Valpo mehr Schreine als Einwohner gibt – und jeder eine eigene Geschichte bereit hält.
Der Robin Hood von Valparaiso und ein Pakt mit dem Teufel
Einer davon ist die Ruhestätte von Emile (oder auch Emilio) Dubois auf dem Friedhof des Stadtteils Playa Ancha. Eine mysteriöse Person, ein wortgewandter und weltmännischer Hochstapler, Dieb und Mörder mehrerer Geschäftsleute. Dubois wurde 1907 für seine Verbrechen angeklagt und vor ein Erschießungskommando gestellt. Niemand kannte damals seinen richtigen Namen, wo er herkam und welche Nationalität er besaß. Heute weiß man, das sein richtiger Name Louis Brihier war und er aus Frankreich, wo er bereits wegen einiger Delikte gesucht wurde, nach Südamerika flüchtete.
Die Erzählungen begannen unmittelbar nach seinem Tod. Es ist eine Robin Hood gleiche Geschichte – Selbstlos nahm er von den Reichen und gab es den Armen. Bis heute finden sich tausende von Danksagungen und eine Fülle von Geschenken an seinem Grab auf dem Friedhof in Playa Ancha.
Viele Porteños nutzen die Schreine und den sie umhüllenden Aberglauben, um etwas zu bitten oder auch Krankheiten zu heilen. Viele der Leute finden sich an der Grabstätte von Martin Busca wieder. Der Legende nach wurde der mittellose Mann über Nacht zum Millionär.
Reicht gemacht haben soll ihn ein Pakt mit dem Teufel. Das Vermögen soll er als Pfand für seine Seele erhalten haben, die nach seinem Tod in den Besitz des Fürsten der Finsternis übergehen sollte. Señor Busca durchkreuzte jedoch die Pläne des Teufels, in dem er bereits zu Lebzeiten ein zweitstöckiges Mausoleum auf dem Friedhof in Playa Ancha errichten ließ. Der Clou: Die Grabstätte steht auf vier Drachenfüßen, jeder mit sechs Zehen (Der Nummer des Teufels). So war es nicht möglich an seine Seele zu kommen. Ganz schön schlau, der Señor.
Dem Mausoleum werden Zauberkräfte nachgesagt und so finden sich hier immer wieder Abergläubische ein, um Krankheiten heilen zu lassen oder um Reichtum zu bitten. Reich werden leider die wenigsten…
Der Selbstmordfelsen und das Monster aus der Höhle
Eine andere klassische Geschichte hat Ihren Ursprung am unscheinbaren Felsen Piedra Feliz südlich der Stadt bei Playa Ancha. Keiner weiß genau, wie es begonnen hat und wer zuerst gesprungen ist, aber viele Frauen haben hier Selbstmord begangen, in dem sie sich von diesem Felsen ins Meer stürzten. Es wird erzählt, das der Ort eine besondere Energie ausstrahle, der die Frauen zu dieser Tat schreiten ließ. Vor 20 Jahren hat die Stadtverwaltung von Valparaiso die Kuppe des Felsen abgesprengt, um die Höhe zu reduzieren. Trotzdem schreibt Piedra Feliz von Zeit zu Zeit negative Schlagzeilen.
Als die Spanier im 17. Jahrhundert Valparaiso für sich beanspruchten, kam es immer wieder zu mysteriösen Schiffsunfällen an der Küste der Stadt. Hier lag zu dieser Zeit die Cuvea de Chivato (die Chivato Höhle), die heute zwischen der Plaza Anibal Pinto und dem El Mercurio Gebäude (der ältesten Zeitung Chiles) an der Straße Esmeralda liegt, wo zur damaligen Zeit die Küstenlinie entlang lief.
Der Grund für die Unfälle soll ein in der Höhle wohnender Dämon gewesen sein, der die Seeleute in Angst und Schrecken versetzte. Ein Zwitter aus Affe und Steinbock mit furchteinflößender Statur. Als die Promenade versetzt und eine Straße entlang der Höhle gebaut wurde, trauten sich viele Einwohner aus Angst nicht, diese zu passieren, so das sie letztlich aus dem Berg gesprengt wurde. Ein Schild erinnert noch heute an den ehemaligen Standort der Höhle mit dem gruseligen Bewohner.
➡ Mehr erfahren: Was du in Valparaiso an einem Tag erleben kannst
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